Kitas kann man auf unbestimmte Zeit schließen. Beziehungen nicht. Beziehungspflege in Zeiten von Corona – damit die Kinder nicht hinten runter fallen!

Kitas kann man auf unbestimmte Zeit schließen. Beziehungen nicht. Beziehungspflege in Zeiten von Corona – damit die Kinder nicht hinten runter fallen!

Heute morgen war ich mit unserer Jüngsten in ihrer Kita. Eine ihrer Herzenserzieherinnen hatte Telefondienst vor Ort und wir durften sie besuchen. Die Erzieherin führte unsere Tochter durch die (kinder)leeren und aufgeräumten Gruppenräume – wohl auch um ihr begreifbar zu machen, dass außer uns niemand da ist. Wir hatten ein paar Fotos mitgebracht, damit unsere Jüngste mit ihrer Herzenserzieherin teilen konnte, was sie seit der Kitaschließung so erlebt hat. Die Fotos ließen wir da. Auch die anderen Herzenserzieherinnen sollen sie noch gucken können – so der Wunsch des Kitakindes. Dann fragte die Erzieherin unsere Jüngste, ob sie gerne noch was machen möchte in der Kita – und oh ja, das wollte sie. Gemeinsam mit ihrer Erzieherin gestaltete sie mit Farben, Glitzer und Co noch ein Bild. War sie bis jetzt eher schüchtern und schweigsam gewesen (vier Wochen war sie nicht mehr hier), taute sie nun auf. Ich saß ein bisschen abseits und beim Zusehen ging mir das Herz auf. Es war ein so herzlicher und inniger Kontakt zwischen der Erzieherin und unserem Kind … unsere Tochter strahlte und leuchtete von innen heraus … und zwischen den beiden leuchtete die von Vertrauen-und-miteinander-Vertrautsein getragene Bindungsbeziehung. Ich bin der Kitaleiterin und natürlich der Erzieherin sehr dankbar, dass sie unserem Kind diese Erfahrung ermöglicht haben.

Als vor zwei Tagen bekannt wurde, dass die Kitas erst mal weiter auf unbestimmte Zeit geschlossen bleiben, lag ich abends im Bett und war sehr in Sorge. Kitas sind Betreuungseinrichtungen. Zum Glück haben wir eine gute Situation diesbezüglich. Sprich: Wir haben genug Zeit, Platz, Spielkameraden – und der Göttin sei dank schönes Wetter! Kitas sind Bildungseinrichtungen. Wir können unserer Tochter nicht die Anregung bieten, die sie in ihrer Kita bekommt … aber wir können an anregungsreicher Umgebung und gemeinsamen Unternehmungen doch viel ermöglichen … und die Bildung kitaseits kann pausieren. Aber Kitas sind doch auch – und vielleicht sogar in erster Linie – Orte, an denen Beziehung stattfindet. Eine elternbegleitete Eingewöhnung gehört heute zum Glück in allen Einrichtungen zum Qualitätsstandard. Ziel ist, dass das Kind eine vertrauensvolle Beziehung zu mindestens einer Erzieherin entwickelt. Doch was passiert mit dieser von Zuneigung und Nähe geprägten Beziehung in Zeiten von Corona?

Die Betreuung durch die Kitas kann man je nach Zahl der Infektionen an- und ausschalten. So ist zumindest der Plan. Die Maßnahmen werden gelockert und die Infektionszahlen beobachtet. Steigen sie, werden Einrichtungen und Geschäfte wieder geschlossen. An und wieder aus – so lange bis die Infektionszahlen nicht mehr zu stark ansteigen oder bis ein Impfstoff da ist. Aber was passiert mit den Beziehungen? Die kann man nicht an- und ausschalten. Die wollen gepflegt werden, sonst wird ihre emotionale Verbindung schwächer. Das kennen wir alle aus unseren vielfältigen Beziehungen. Vor allem Kinder sind darauf angewiesen, ihre Lieblingsbindungsmenschen regelmäßig real zu sehen – je jünger, desto mehr. Sonst droht die gemeinsame Beziehungsgeschichte in ihnen zu verblassen. Dann wäre der Widereinstieg in den Kitaalltag nach monatelanger Pause für ein Kind mit hohem Stress verbunden bzw. eine neue elternbegleitete Eingewöhnung erforderlich.

Dazu kommt, dass gerade so vieles in der Schwebe ist und der Alltag seine Normalität verloren hat. Alles, was jetzt bleibt wie immer … und dazu gehören auch vertraute Kontakte (wenn auch in anderer Form) hilft und gibt den Kindern Sicherheit. Kitateams können Kinder und Eltern also auch in dieser Zeit entlasten – dadurch, dass sie die Beziehung pflegen.

Ich weiß nicht wie die Situation der Kitateams vor Ort ist – mit der besonderen Situation, der für Eltern oft nicht sichtbaren Hintergrundarbeit und den Notgruppen. Viele Erzieher/innen haben ja gerade auch selbst zu Hause Kinder zu betreuen. Ich möchte einfach dazu einladen, Ressourcen prioritär für die Beziehungspflege zu nutzen. Viele Einrichtungen verschicken Bastelvorlagen, Liedtexte und Geschichten. Die Kinder freuen sich, Post von der Kita zu erhalten. Die Maßnahme ist eine liebe Geste … gehört aber nicht unbedingt zum Superfood für das Nähren von Bindungsbeziehungen. Das ist für die meisten Kinder doch der direkte Kontakt. Und für den gibt es zum Glück dank moderner Technik eine Vielfalt von Möglichkeiten – vom guten alten Anruf bis zum kurzen Videomeeting, in dem alle Kinder morgens begrüßt werden, vielleicht noch gemeinsamen ein Lied singen … bevor jeder in seinen individuellen Tag startet. Das würde auch die so wichtige Beziehung zu den Spielkameraden stärken. Hervorragende Möglichkeiten zur individuellen Beziehungspflege bieten auch datensichere Messenger-Apps, die es kostenfrei gibt und die jede/r einfach runterladen kann. Über diese können Erzieher/innen einem Kind eine Sprachnachricht und/oder einen kleinen Videogruß schicken. Auch Dinge können zum Träger einer emotionalen Verbindung zur Kita für ein Kind werden. Vielleicht möchten sich ja die Kinder aus der Kita ein Spielzeug oder ein Lieblingsbuch ausleihen, vielleicht Pate für ein Kuscheltier werden bis die Kita wieder öffnet. Und wenn man hingeht um das abzuholen, hat man gleich schon ein bisschen persönlichen Kontakt… .

Ich möchte auch die Eltern einladen, bei ihrer Kita gerne nachzufragen, was gerade möglich ist. Die Eltern kennen ihr Kind am besten und können am besten einschätzen ob, wie häufig und in welcher Form ein Kind Kontakt zur Kita braucht, um emotional die Verbindung halten zu können. Die allermeisten Kitateams sind hochengagiert für das Wohl unserer Kinder und finden sicher mit euch einen Weg.

Wenn alle Beteiligten ihre Kreativität und ihr Potenzial nutzen wird es möglich sein, die persönliche Erzieher/innen-Kind-Beziehung auch in Zeiten von Corona weiter zu pflegen.

Gemeinsam schaffen wir es!

Katastrophenphantasien quälen Dich? Eine Exit-Strategie

Katastrophenphantasien quälen Dich? Eine Exit-Strategie

Unter Corona leiden viele Menschen unter wachsenden Ängsten und Sorgen. Da ist die Sorge, sich anzustecken, krank zu werden, zu sterben oder nahe Angehörige zu verlieren. Da sind finanzielle Sorgen: Reicht das Kurzarbeitergeld für den Lebensunterhalt und die Fixkosten? Meine Rente schrumpft gerade mit dem Börsenmarkt – droht mir Altersarmut?  Was, wenn die Wirtschaft den Shut-down nicht überlebt? Wird es dann meinen Arbeitsplatz noch geben? Verliert mein Kind in der Schule den Anschuss, weil ich das mit dem Homeschooling nicht so auf die Reihe kriege wie die anderen Familien? Die Kleine war gerade im Kindergarten angekommen – oh je, bestimmt kann ich nach der Corona-Pause mit der Eingewöhnung von vorne anfangen. Die Fluggesellschaft hat meinen bereits gezahlten Flug storniert – was, wenn ich mein Geld nicht zurückbekomme? Dann kann ich mir dieses Jahr keinen Urlaub mehr leisten … .

Große und kleine, realistische und übertriebene Ängste purzeln in unserem Gehirn durcheinander und versetzen es in dauerhafte Alarmstimmung. Unser Gehirn kann nicht zwischen einer eingebildeten Gefahr und einer realen Gefahr unterscheiden. Es reagiert auf die eingebildete Gefahr ebenso wie auf die reale – mit Angst, Panik, Adrenalinausschüttung, Dauersorgenschleifen und wachsendem innerem Stress. Unser Gehirn kann auch nicht entscheiden, ob Sorgengedanken sinnvoll sind oder nicht. Diese Information bekommt es von uns. Deshalb ist es wichtig, dass wir unser Gehirn mit der richtigen Information füttern – und unsere Ängste und Sorgen daraufhin überprüfen, ob sie angemessen sind und Sinn machen.

Sinn machen Sorgengedanken nur dann, wenn sie uns auf eine reale Gefahr hinweisen, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eintritt und die ich durch mein gezieltes Handeln abwenden kann. Für einen Klienten habe ich das nachfolgende Arbeitsblatt erstellt. Es leitet dazu an, Katastrophenphantasien auf diese Kriterien hin zu überprüfen. Vielleich hilft es ja auch Dir, Deinen Freund/innen oder Kund/innen.

Überprüfung Katastrophenphantasien

Überprüfe Deine Katastrophenphantasien und dann: Sorge Dich nicht, sondern handle! Und wenn sich herausstellt, dass es gar nichts zu tun gibt oder Du nichts tun kannst: Sorge Dich nicht, sondern lebe trotzdem! … und hilf Menschen in richtig schwierigen Lebenslagen.

Gemeinsam schaffen wir es!

 

Weil Bindung vor Bildung kommt! Lernen in unsicheren Zeiten – was Erzieher/innen, Schulleitungen und Lehrer/innen jetzt tun können.

Derzeit steht immer wieder eine Verlängerung der Schließung von Kindergärten und Schulen über den 19. April hinaus im Raum. Ob das eintritt, weiß im Moment niemand. Was wir aber wissen: Sollte dies der Fall sein, wird der Stress in Familien weiter steigen. Und: Um dies abzufedern, können wir heute schon etwas tun. Deshalb heute einen Appell an Erzieher/innen, Schulleitungen und Lehrer/innen. Ihr seid gerade oft die Einzigen, die einen Fuß in der Familientür haben.

Corona verunsichert: Die Corona Pandemie macht etwas mit uns Erwachsenen. Sie setzt bei jedem eine eigene Dynamik in Gang, die mit mehr oder weniger Stress und Unsicherheit einhergeht: ungewohntes Home-Office, Kurzarbeit, finanzielle Sorgen, keine Entlastung bei der Kinderbetreuung, Angst um die eigene Gesundheit oder um die Gesundheit naher Angehörigen. Auch die Kinder spüren, dass etwas nicht stimmt. Sie spüren, dass die Erwachsenen unruhig sind, aufgeregt, vielleicht Angst haben. Ihr Tagesauflauf ist verändert. Sie dürfen nicht mehr in Kita oder Schule, dürfen ihre Spielkamerad/innen nicht mehr treffen, die Großeltern nicht mehr besuchen. All das verunsichert die Kinder. Ihr Bindungssystem wird aktiviert. Sie suchen Schutz und Halt bei ihren Bindungspersonen. Das Problem: Sind Eltern gestesst und verunsichert, sinken innere Ruhe, Einfühlungsvermögen und Geduld. So können sie manchmal nicht mehr ausreichend auf die Bindungsbedürfnisse ihrer Kinder eingehen. Die Folge: Die Unsicherheit der Kinder steigt, ihr Bindungssystem ist aktiviert, ihr Bindungsbedürfnis steigt.

Liebe Erzieher/innen, Schulleitungen und Lehrer/innen: Viele “ihrer” Kinder sind gerade verunsichert und haben ein aktiviertes Bindungssystem. D.h. sie erleben Angst und Stress. Feinfühlige und konstante Zuwendung durch vertraute Menschen wirkt jetzt beruhigend. Manche Eltern “ihrer” Kinder schaffen das gerade vielleicht nicht in ausreichendem Maß. Sie als Erzieher/in, Schulleitung oder Lehrer/in haben jetzt einen Bildungsauftrag via Homeschooling. Nachhaltige Bildungsarbeit setzt jedoch voraus, dass die Bindungsbedürfnisse der Kinder befriedigt sind. Nur wenn ein Kind frei von Angst ist und sich sicher fühlt, kann es lernen. Nur dann kann es neugierig und aufmerksam sein. Nur dann kann es staunen und Vertrauen in seine Fähigkeiten haben. Nur dann kann sein Gehirn die Lerninhalte auch speichern. Auf den Zusammenhang “Bindung kommt vor Bildung” weisen Bindungsforschung und Hirnforschung immer wieder hin. Deshalb eine Bitte an Sie: Pflegen Sie vor allem die Beziehung zu “ihren” Kindern. Das ist gerade viel wichtiger als die Vermittlung von Inhalten.

Je direkter der Kontakt, desto besser für das Bindungssystem. Hier ein paar Anregungen, die ich von Erzieher/innen, Schulleitungen und Lehrer/innen habe: 

  •  Klingeln Sie doch an der Haustür  “ihrer” Kinder, halten sie mit angemessenem Abstand ein kleines Schwätzchen und überreichen dem Kind seine Arbeitsblätter vielleicht persönlich. In Deutschland ist das (anders als in Luxemburg) noch erlaubt. Dies ist vor allem bei Kindergarten- und Grundschulkindern möglich, die häufig alle im nahen Umfeld wohnen.
  •  Rufen Sie die Kinder an!
  •  Nutzen Sie die Möglichkeiten der modernen Technik zu einem Treffen per Video!
  •  Chatten Sie mit “ihren Kindern! Es gibt datensichere Anbieter, wie z.B. Signal.
  •  Halten Sie Unterricht wie immer – jetzt aber über Videokonferenzen (evtl. in Kleingruppen).
  •  Schreiben Sie “ihren” Kindern doch einen Brief mit ein paar persönlichen, wertschätzenden, lieben Worten.
  •  Wenn Sie Aufgaben der Kinder korrigieren, gestalten Sie Ihre Rückmeldung so persönlich, wertschätzend und stärkend wie möglich.

All dies hätte auch den Nebeneffekt, dass Erzieher/innen und Lehrer/innen die Stimmung in der Familie mitbekommen. Sie können dann entweder selbst hilfreich sein und unterstützend reagieren oder eine Familie an den schulpsychologischen Dienst oder die Schulsozialarbeit weiterleiten. In China ist die häusliche Gewalt unter Corona um das Dreifache gestiegen! Jetzt sind Sie als Erzieher/in oder Lehrer/in vielleicht der/die Einzige, der mitbekommen kann, wie es einem Kind geht.

Schützt die Kinder und stärkt die Familien! Gemeinscham schaffen wir es!

Gegen das Coronavirus hilft jetzt eines: Resilienz

Resilienz kommt von dem lateinischen Wort “resilire” und das bedeutet “zurückspringen”,  “abprallen”. Stellen Sie sich selbst als Stehaufmännchen vor. Sie besitzen so die Fähigkeit, Ihre aufrechte Haltung aus jeder beliebigen Lage wieder einzunehmen. Am besten stellen Sie sich als Stehaufmännchen in einer unsichtbaren Schutzhülle vor. Negative Einflüsse von außen, Belastungen, Angriffe prallen einfach ab oder werden zumindest abgemildert. So lassen Sie sich von widrigen Lebensumständen nicht unterkriegen. Sie können kreativ und flexibel in Krisen reagieren, in denen andere sich hilflos fühlen. Belastungen erleben Sie eher als Herausforderung denn als unlösbares Problem oder nicht zu bewältigende Krise. Aus Krisen gehen Sie gestärkt und gereift heraus.

Resilienz oder psychische Widerstandsfähigkeit ist also die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie als Anlass für Entwicklung zu nutzen. Resiliente Menschen greifen dazu auf persönliche und soziale Ressourcen zurück. Eine spannende Grundlage der Resilienzforschung sind Langzeitstudien mit Kindern (Kauai-Studie), die unter sehr schwierigen Bedingungen groß geworden sind. Zu diesen erschwerten Bedingungen gehörten Armut, Alkohol- und Gewaltprobleme in der Familie. Die spannende Frage war: Wie kommt es, dass einige dieser Kinder als Erwachsene dennoch ein erfolgreiches Leben führten (stabile Beziehungen, Berufstätigkeit, gute körperliche und psychische Gesundheit) während andere dieser Kinder als Erwachsene im Leben scheiterten (Alkohol, Straftaten, psychische und körperliche Erkrankungen, scheiternde Beziehungen)? Worin unterscheiden sie sich? Das war die Geburtsstunde der Resilienzfaktoren. Die Studie kristallisierte nämlich Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale heraus, die die Erfolgreichen von den Gescheiterten unterschied. Und die Studie zeigte auch: Diese Fähigkeiten können erlernt werden, auch wenn sie einem nicht in die Wiege gelegt wurden.

Viele von uns verfügen grundsätzlich über diese schützenden Fähigkeiten  – damit wir sie in einer Krise bewusst und aktiv nutzen können, müssen sie uns aber auch präsent sein. Deshalb nachfolgend die wichtigsten Resilienzfaktoren:

Optimismus: “Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas schönes bauen” oder: Auch aus einer Krise kann in der Zukunft etwas Gutes entstehen. Mit Optimismus ist nicht gemeint, dass Sie mit einer rosaroten Brille durch das Leben spazieren. Es geht eher um eine Grundhaltung, gerade in schwierigen Situationen darauf zu vertrauen, dass es wieder besser wird. Und dass es immer irgendetwas Positives gibt, worauf wir unsere Wahrnehmung richten können.

Akzeptanz: Veränderungen sind ein Teil des Lebens. Resiliente Menschen akzeptieren das Unvermeidbare und passen sich veränderten Situationen an. Ein schönes Bild ist der Fluss, der nicht gegen sie Steine im Wasser kämpft, sondern geschmeidig um sie herumfließt. In meiner therapeutischen Praxis trainiere ich mit Klient/innen häufig den Dreierschritt aus der buddhistischen Praxis “Wahrnehmen – Akzeptieren – Loslassen”. Wahrnehmen: Ich nehme die Situation wahr, wie sie ist – ohne Verleugnung oder rosa Einfärbung. Akzeptieren: Ich sage “Ja” zu mir und meinem Leben – so wie es ist. Loslassen: Ich lasse los und gehe weiter. Ich nutze meine Kraft für die Dinge, die ich verändern kann.

Emotionssteuerung: Früher dachte man, Gefühle und Gedanken hätten nichts miteinander zu tun. Die Intellektuellen um Kant dachten komplizierte Gedanken, das Fußvolk fühlte … 🙂 . Heute sind wir zum Glück ein paar Schritte weiter … und wissen: Gefühle und Gedanken sind eng miteinander verflochten. Emotionen haben immer auch eine kognitive Seite. Was wir fühlen hängt maßgeblich davon ab, wie wir eine Situation gedanklich bewerten. Stellen Sie sich einen Mann vor, der abends darauf wartet, dass seine Frau aus dem Büro nach Hause kommt. Es ist 21:00 Uhr. Normalerweise kommt sie immer um 19:00 Uhr. Was er fühlt, hängt davon ab, was er denkt: “Hoffentlich ist ihr nichts passiert” – Angst, “Sie macht Überstunden. Prima, dann haben wir mehr Geld und ich kann mir vielleicht doch ein neues Smartphone kaufen.” – Freude, “Sie hat es schon wieder nicht geschafft, pünktlich Schluss zu machen und ich musste nach einem langen Tag auch noch die Kinder allein ins Bett bringen.” – Ärger, “Hat sie nicht so begeistert von einem neuen Kollegen erzählt …” – Eifersucht, Verlustangst. Covid-19 mit allen Folgen für uns – wie es uns damit geht, hängt ganz entscheidend von unserer Bewertung ab. Machen Sie sich Ihre Gedanken bewusst und wenn es belastende Gedanken sind: Überlegen Sie, ob es eine andere Sicht auf die Situation gibt. 

Empathie: Sich in andere einfühlen können (und wollen) ist eine Basiskompetenz wenn es um soziale Beziehungen geht. Ohne Einfühlungsvermögen ist Beziehung nicht möglich. Wir alle brauchen aber das Gefühl der Kooperation, Zusammengehörigkeit und des wertschätzendes Kontaktes miteinander – gerade in Krisenzeiten. Es ist beeindruckend, wie sehr die Menschen gerade trotz Kontaktverbot zusammenrücken – sich solidarisieren, einander helfen und sich gegenseitig ermutigen. Empathie hilft aber auch die eigene Situation zu relativieren. Können wir uns z.B. in syrische Flüchtlinge in überfüllten Lagern einfühlen, dann fällt es uns schwer unter Covid-19 von “Lagerkoller” zu sprechen. Wir sehen die  Einschränkungen und Sorgen mit denen wir gerade konfrontiert in einem anderen Licht. Genauso wichtig ist Empathie für uns selbst. Wenn eine Alleinerziehende gerade im Home-Office arbeitet, finanzielle Sorgen hat und dazu noch die Kinderbetreuung stemmen muss ist es wichtig, dass sie ihre Überlastungssituation sieht, fühlt und anerkennt. Sie wird sich sonst weder Hilfe suchen noch ihre Ansprüche an sich selbst senken.

Netzwerkorientierung: Resiliente Menschen ziehen sich in einer Krise nicht zurück, sondern suchen aktiv den Kontakt zu anderen, um sich auszutauschen und um sich gegenseitig zu unterstützen. Pflegen Sie gerade jetzt ihre Kontakte! Ein Hoch auf das Internet, dass dies heutzutage auch ohne sich real zu begegnen möglich ist. Vielen tut jetzt ein netter Gruß, ein Kompliment, ein schönes Foto gut. Überlegen Sie, wer jetzt Ihre Unterstützung benötigen könnte und bieten Sie selbst Ihre Hilfe an. Gemeinsam schaffen wir es!

Impulskontrolle: In Krisenzeiten steigt der innere Stress – sei es durch Ängste, Sorgen, Probleme die es zu bewältigen gilt oder zusätzlich unter Corona durch die Kontaktsperre. Mit dem Steigen des Stresspegels sinkt unsere Fähigkeit, unser Verhalten zu kontrollieren. Wir alle kennen das – wir schreien dann unsere Kinder an, lassen unseren Frust an unserem Partner aus oder an dem Mitmensch im Supermarkt, der uns trotz Abstandsregel zu nahe kommt. Und wir alle wissen – es hilft nicht, sondern macht die Situation noch schlimmer. Was hilft? Wichtig ist, unseren steigenden Stresspegel möglichst früh zu bemerken. Dann ist es uns noch möglich, in Alternativen denken und unser Verhalten zu kontrollieren. Zum Beispiel: Wenn Ihre Kinder Sie zum zweiten Mal im Home-Office stören und Sie merken, dass Sie unter Druck kommen – Innehalten – Was ist jetzt hilfreich? Was braucht es jetzt? – Eine wirklich klare Ansage an die Kinder? – Vielleicht eine Pause, in der die Kinder Aufmerksamkeit bekommen? – Eine Runde frische Luft für alle? – Ein Anruf bei Ihrer Chefin, dass das Arbeitspensum bei gleichzeitiger Kinderbetreuung nicht zu schaffen ist? Wichtig ist, dass Sie das Lenkrad in der Hand behalten, bevor ihr angeborener Autopilot im Gehirn das Steuer übernimmt. Denn wenn der Autopilot vom Stresspegel die Info “Gefahr in Verzug” erhält, kennt der keine Rücksicht auf Verluste … dann geht es biologisch ums Überleben. Auch wenn es real “nur” darum geht, eine Aufgabe nicht termingerecht zu beenden. 

Die Opferrolle verlassen: Manche Krisen wie die Corona-Pandemie kommen ohne unser Zutun über uns. Dies gilt auch für die Maßnahmen, die die Regierung zur Bekämpfung der Pandemie ergreift. Ob wir sie nun angemessen finden oder nicht – wir haben keinen Einfluss. Resiliente Menschen sehen sich dennoch nicht in einer Opferrolle, sondern sie setzen sich aktiv mit der bestehenden Situation auseinander und versuchen, sie zu ihren Gunsten zu verändern. O.k., die Kinder sind gerade den ganzen Tag zuhause – dann mache ich das Beste daraus und nutze die Chance jetzt viel Zeit für Kontakt und Beziehung zu haben. Ich kann mich grad nicht meinen Freunden treffen – was kann ich stattdessen tun, was oft zu kurz kommt? Ich musste mein Unternehmen schließen und habe Angst, das finanziell nicht zu verkraften – o.k. daran kann ich gerade nichts ändern, aber vielleicht kann ich die Zeit nutzen für Qualitätssicherung, Weiterbildung und eine Weiterentwicklung meines Betriebs. Damit sind wir bei einem weiteren Resilienzfaktor: Verantwortung übernehmen. Für die Situation wie sie ist, kann ich nichts. Aber ich und nur ich bin verantwortlich, wie ich mit der Situation umgehe. Und hier sind wir dann auch schon ganz nahe bei last but not least dem letzten Resilienzfaktor, der

Lösungs- und Zukunftsorientierung: Im Grunde ist hier die Haltung gemeint, in jeder Herausforderung eine Chance zu erkennen … und damit diese Chance auch eine Chance hat … unsere ganze Kraft, Zeit und Energie zu investieren. Dann ist unsere kleine Welt … und vielleicht auch die eine große Welt nach Corona noch schöner und reicher. Vielleicht nicht reicher an Geld, aber reicher an Gemeinschaftsgefühl, reicher an Delfinen in den Häfen, reicher an frischer klarer Luft, reicher an tiefen Eltern-Kind-Beziehungen, reicher an Entschleunigung … . 

In diesem Sinne: Auf einen aktiven, selbst bestimmten und gemeinsamen Umgang mit Corona! Alles wird gut 🙂 Gemeinsam schaffen wir es!

 

Zwischen Panik und Gelassenheit – warum reagieren Menschen so unterschiedlich auf die Corona-Krise?

Die Corona-Krise löst bei manchen Panik aus, andere bleiben völlig gelassen. Und dann gibt es noch die, die irgendwo dazwischen liegen. Aber warum reagieren wir so unterschiedlich auf diese Krise?

Die Antwort liegt in unserem psychischen Immunsystem – das Schutzschild unserer Seele. Wie es körperliche Erkrankungen und ein somatisches Immunsystem gibt, das sie abwehrt, so gibt es auch ein psychisches Immunsystem, das Belastungen für die Psyche abwehrt. Die psychische Widerstandskraft ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Die meisten von uns kennen Menschen, die selbst schwerste traumatische Schicksalsschläge verkraftet haben, ja vielleicht sogar an ihnen gewachsen sind. Andere zerbrechen daran. Wie kommt dieser Unterschied zustande? Und wie können wir unser psychisches Immunsystem stärken?

Wer seine körperlichen Grundbedürfnisse befriedigt, stärkt sein somatisches Immunsystem. Wer seine psychische Widerstandskraft stärken will tut gut, seine psychischen Grundbedürfnisse zu kennen.

Grawe (Psychotherapieforscher) unterscheidet 4 Grundbedürfnisse: Bindung, Kontrolle & Orientierung, Selbstwertschutz & Selbstwerterhöhung, Lustgewinn und Unlustvermeidung. Alle vier Grundbedürfnisse haben angeborene neuronale Grundlagen. Das bedeutet, bereits ein Säugling setzt seine eingeschränkten Verhaltensmöglichkeiten so ein, dass diese Grundbedürfnisse möglichst befriedigt werden. Spannend, oder?

Das Bedürfnis nach Bindung: Wir sind soziale Wesen und haben das Bedürfnis dauerhafte Beziehungen zu emotional nahe stehenden Menschen einzugehen. Wir leben in Familien, haben Freunde und ordnen uns einer Gemeinschaft zu. Auch unsere Hormone, z.B. das ‘Kuschelhormon’ Oxytocin, sorgen dafür, dass Nähe mit Wohlgefühl verbunden ist.

Kontrolle & Orientierung: Ob es um unseren Tagesablauf, unsere Zukunft, unsere Arbeit oder um unsere Beziehungen geht: Wir wissen gerne, was Sache ist. Wir möchten planen, uns auf Geplantes und Vereinbartes verlassen können, wir möchten Einfluss nehmen können. Wir möchten verstehen, was passiert und wir möchten wissen, was auf uns zukommt.

Selbstwertschutz & Selbstwerterhöhung: Wir möchten für andere von Wert sein und Anerkennung finden. Wir sind neugierig, lernbegierig und auch ein bisschen eitel – das alles liegt aus gutem Grund in unserer Natur. Es bringt uns und unsere Gemeinschaft voran und sichert unser Überleben und unsere Fortpflanzung. Also tun und lernen wir gerne das, worin wir gut sind.

Lustgewinn & Unlustvermeidung: Diesem Grundbedürfnis zugrunde liegt die sog. “Gut-Schlecht-Bewertung”. Sie ist als “ständig aktiver Monitor des psychischen Geschehens” immer im Hintergrund aktiv. Das bedeutet: Alle Erfahrungen, die wir machen, werden automatisch dahingehend bewertet ob das was gerade passiert gut oder schlecht für uns bzw. angenehm oder unangenehm ist.

Kurz gesagt: Wir brauchen Freunde, möchten unser Leben im Griff haben, haben gerne Spaß haben und die Zuneigung und Anerkennung ist uns wichtig. Diese Grundbedürfnisse sind der Schlüssel um a) zu verstehen, was in Krisenzeiten passiert und b) warum manche Menschen krisenfester als andere sind.

Covid-19 – was passiert?  Die Kontaktsperre tangiert unser Bedürfnis nach sicheren Bindungen.  Zum einen können wir für uns wichtige Menschen nicht mehr real treffen, zum anderen werden relevante Bindungsbeziehungen wie unsere Partnerschaft oder die Beziehung zu unseren Kindern vielleicht konfliktreicher, weil wir ungewohnt viel aufeinander sitzen. Wir wissen nicht, wie es weitergeht, wie schlimm uns die Pandemie treffen wird, welche Maßnahmen die Regierung morgen beschließt … unser Bedürfnis nach Kontrolle & Orientierung wird (massiv) verletzt. Schon lange hat der Staat nicht mehr so in unser alltägliches Leben eingegriffen. Viele haben die Doppelbelastung von Kinderbetreuung und Home-Office und bleiben dann vielleicht in beiden Bereichen hinter ihren Ansprüchen zurück. Das kratzt am Selbstwert, zumindest erhöht es ihn nicht. Viele Dinge, die uns Spaß gemacht haben wie Kino, Theater, Sportstudio, Schwimmen gehen, Yogakurs oder auch nur die Treffen mit Freunden fallen weg – Unlust macht sich breit. Für den einen passiert all das mehr, für den anderen weniger. Da sind wir auch bei unseren individuellen Bewältigungskompetzenzen, also der Art und Weise, wie wir mit Krisen umgehen. Corona ist ein weites Feld 🙂 zu unserem individuellen Umgang mit Belastungssituationen in einem nächsten Beitrag mehr.

Deutlich wird: Die Corona-Krise verletzt alle psychischen Grundbedürfnisse. Stellen wir uns diese Grundbedürfnisse als Gefäße vor, die individuell mehr oder weniger gefüllt sind. Dann leuchtet es ein, dass Menschen die mit gut gefüllten Gefäßen in die Krise gehen, weitaus weniger von ihr mitgenommen werden. Sind meine Bedürfnis-Gläser gut gefüllt und die Corona-Krise nimmt davon etwas weg … bleibt immer noch genug drin, um mich wohl zu fühlen. Das ist eine Erklärung dafür, weshalb manche Menschen mit Panik und Stress reagieren, während andere die Ruhe selbst bleiben.

Eine gute Krisen-Prophylaxe ist also, für einen guten Füllstand unserer Bedürfnisgläser Sorge zu tragen. Auch in der Krise macht das Sinn. Statt also die fünfzigste Packung Klopapier zu kaufen … überlegen Sie lieber: Wie können Sie Ihre Zeit und Energie nutzen, um Ihre psychischen Grundbedürfnisse zu befriedigen?

.. und schreiben Sie Ihre Ideen gerne als Inspiration für andere in die Kommentare. Anderen helfen macht Freude (Bedürfnis nach Lustgewinn), macht klar, dass Sie etwas und was Sie tun können (Bedürfnis nach  Kontrolle und Orientierung), helfen ist selbstwertdienlich und Sie gehen damit in Kontakt (Bindungsbedürfnis). Also … eine Inspiration für andere formulieren … und vier Fliegen mit einer Klappe schlagen 🙂