Trotz meiner (Susanne Stroppel) Erstausbildung als Erzieherin und einigen Jahren Berufspraxis in Feldern wie Kinderheim, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Sozialpädagogische Familienhilfe habe ich mich als Psychologin erst mal von Kindern und Jugendlichen entfernt. Ich arbeitete als Psychotherapeutin und Bildungsreferentin ausschließlich mit Erwachsenen. Wobei in meiner psychotherapeutischen Tätigkeit die (frühe) Kindheit selbstverständlich weiter eine große Bedeutung hatte.
Was in der Fachliteratur schulenübergreifend beschrieben wird, erlebte ich auch in der Arbeit mit Klient/innnen, die sich aufgrund ihrer Probleme hilfesuchend an mich wandten: den offen sichtlichen Einfluss ungünstiger früher Beziehungserfahrungen.
Mehr psychotherapeutisch motiviert denn daran denkend mit Klein(st)kindern und ihren Bezugspersonen zu arbeiten absolvierte ich die Weiterbildung “Entwicklungspsychologische Beratung” bei Mauri Fries und Barbara Bütow. Ich wollte erst einmal einfach nur mehr über die Frühe Kindheit wissen. Dies war der Beginn – ein wunderbarer Beginn – vielen Dank an Mauri und Barbara! – meiner intensiven Auseinandersetzung mit der Bindungstheorie sowie anderen Strömungen der Säuglings- und Kleinkindforschung.
Inzwischen ist die Arbeit mit pädagogischen Fachkräften, die Säuglinge und Kleinkinder außerfamiliär betreuen sowie mit Eltern zu einem festen Bestandteil meiner Tätigkeit hier in KaSu geworden.
Und nach wie vor arbeite ich mit viel Freude als Psychotherapeutin mit erwachsenen Klient/innen.
In letzter Zeit wird mir mehr und mehr bewusst, wie sehr sich diese beiden Praxisfelder gegenseitig bereichern. Sehr anregend waren dabei für mich Publikationen, die sich (u.a.) genau damit – dem Nutzen von Bindungstheorie und anderen Erkenntnissen der Säuglingsforschung für die Psychotherapie Erwachsener – beschäftigen (Karl Heinz Brisch: Bindungsstörungen; Klaus Grawe: Neuropsychotherapie; Beatrice Beebe & Frank Lachmann: Säuglingsforschung und die Psychotherapie Erwachsener).
Bindung, Exploration und Feinfühligkeit sind nicht nur in der Frühen Kindheit sondern auch im psychotherapeutischen Prozess zentrale Variablen (vgl. Brisch, S. 22).
Ich skizziere hier nur kurz einige Bedeutungen für psychotherapeutisches Vorgehen:
BINDUNG
Es ist wichtig, die Bindungsbedürfnisse von Klient/innen ausreichend zu befriedigen, zumal das Bindungssystem von Klient/innen aktiviert ist, wenn sie wegen ihrer Probleme beunruhigt therapeutische Hilfe aufsuchen (vgl. z.B Grawe 436f, Brisch, S. 96).
Weiter geht es um eine “massgeschneiderte komplementäre Beziehungsgestaltung” auf der Basis der Bindungsrepräsentationen der Klient/innen (vgl. GRAWE. S. 408). Ich führe deshalb häufig in der Diagnostikphase zu Beginn jeder Therapie das Adult Attachment Interview (AAI, Mary Main) durch. Das AAI gibt Aufschluss über die Art der Abspeicherung früher Bindungserfahrungen in Form von Bindungsrepräsentationen bei Erwachsenen (vgl. z.B. Brisch, S. 34). Dies ermöglicht mir, mein therapeutisches Beziehungsangebot darauf abzustimmen.
EXPLORATION
Auch das angeborene Bedürfnis, die Welt aktiv zu erkunden, kann im Rahmen früher Beziehungserfahrungen gehemmt werden. Deshalb ist es von Bedeutung, auch das Explorationsbedürfnis von Klient/innen zu unterstützen. Zum Beispiel in dem sie angeregt werden, ihr inneres Erleben, bestimmte Themen und/oder den Zusammenhang zwischen heutigen und früher früheren Erfahrungen aktiv zu erkunden. Wichtig ist auch, Klient/innen dazu ermutigen, sich in der Welt auszuprobieren und sich an ihren Erfolgen und Erfahrungen zu erfreuen. (vgl. Brisch, S. 104)
FEINFÜHLIGKEIT
“Die von Ainsworth geforderten Qualitäten der Feinfühligkeit im Wahrnehmen der Signale des Patienten, im richtigen Verständnis und in der angemessenen und prompten Reaktion auf seine Signale, wie sie zur Herstellung der Bindung zwischen Mutter und Kind hilfreich sind, können direkt auch auf die therapeutische Situation übertragen werden.” (Brisch, S. 98)
Mit diesem Artikel wollte ich Sie einfach daran teilhaben lassen, was mich gerade bewegt, beschäftigt, anregt, fasziniert – die Bereicherung psychotherapeutischer Arbeit durch Bindungstheorie und Säuglingsforschung.
Ausführlichere Angaben zu den erwähnten Büchern finden Sie im Newsletter-Archiv.
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