Wir hatten das Glück, dass wir drei Monate täglich Handwerker im Haus hatten. Was der Alptraum vieler Familien mit Kindern ist, gestaltete sich für uns zu einer wertvollen Erfahrung. Heute möchten wir darüber berichten.

Das tätige Leben also direkt vor Ort. Viele moderne Pädagogen fordern ja, dass sich Bildungseinrichtungen hin zum tätigen Leben öffnen. Oder wie Royston Maldoom[i] es formuliert, sollen Kinder nicht Jahre abgeschottet von der Welt auf die Welt vorbereitet werden.

Unser Sohn hat mit 3 Jahren geholfen, eine Mauer zu bauen. Kein Projekt, das die Realität versucht ab- und nachzubilden, sondern die Mauer, die heute unsere Wohnzimmerwand ist.

 

Unser Dank geht an dieser Stelle vor allem an die Firma Drangmeister www.drangmeister.de, die Noel diese vielen tollen Erfahrungen machen ließ. Hagen Drangmeister und seine Mitarbeiter haben Noel liebevoll mit einbezogen in ihre handwerklichen Tätigkeiten. Sie haben die ein oder andere Brotzeit mit ihm geteilt. Wenn sie bohren mussten haben sie gewartet, bis Noel sich verzogen hatte, weil ihm Bohrlärm Angst macht.   

Erfahrungslernen und die Neugierde der Kinder nutzen. Ja, das klingt gut – nur die Neugierde richtet sich oft nicht auf das vermeintlich pädagogisch Sinnvolle, sondern auf das, was wir Erwachsenen für wichtig erachten und mit Ernst betreiben. Da sind auch Kinder mit Ernst bei der Sache. Ein Beispiel: „Noel. Komm wir essen.“ Sehr ernsthaft sagt Noel, der mal wieder mit Hagen handwerkt, darauf hin: „Nein Mama, das geht nicht. Ich muss noch fertig arbeiten.“ Wie wunderbar der Kleine hilft, mit Ernst bei der Sache ist und vorsichtig im Umgang mit Werkzeug. Ja, und das Essen konnte in dem Fall tatsächlich warten.

Hier noch ein kleiner Ausschnitt dessen, was er alles noch gelernt hat:

Berufe kennengelernt: von der Architektin, über den Schreiner, die Gartenbauer, die Verputzer, die Heizungsbauer, die Elektriker und Anstreicherinnen hat er alle Gewerke mitbekommen.

Alle Werkzeuge gesehen: Eines Abends, als wir noch auf der Baustelle waren und zu ihm sagten, er soll die Schleifmaschine liegen lassen, kam die prompte Antwort: „Mama das ist keine Schleifmaschine, das ist eine Flex.“

Arbeitshaltung: Arbeiten ist etwas Wichtiges und etwas Tolles. Eines Morgens um 6 Uhr stand er in voller Montur (Schutzbrille, Schutzhelm und Bohrmaschine) im Schlafzimmer und sagte „Hier kommt der Handwerker.“

 

 

 

 

Sich in einer nicht kindergesicherten Umgebung auch ohne pädagogische Aufsicht bewegen: Noel hat sehr schnell gelernt und verstanden, was wirkliche Gefahren sind. Er hat sich nie in eine gefährliche Situation gebracht. Seine Impulse musste er kontrollieren, z.B. das Haus nicht zu verlassen, auch wenn die Tür aufstand. Im Alltag ist er bezüglich Impulse kontrollieren kein Held, aber auf der Baustelle hat er es geschafft.

Wir können allen nur empfehlen, eine Baustelle im Haus zu nutzen. Manche Handwerker mussten sich erst daran gewöhnen, dass da immer wieder mal ein Kind mit auf der Baustelle war. Das haben wir ihnen einfach zugemutet. Wir waren ja schließlich die Auftraggeberinnen. Noel haben wir zugemutet, auch mal weggeschickt zu werden. Das hat eines Abends im Bett zu folgendem Dialog geführt.

Mama Susanne: „Hagen freut sich, wenn du ihm hilfst.“ Noel: „Die Gartenbauer mögen das nicht.“ Darauf folgte ein erstes langes Gespräch über die Verschiedenheit von Menschen. 

Heute sitzen wir im  Wohnzimmer, die Wand die Noel mitgebaut hat im Rücken und freuen uns auf die nun kommende ruhigere Zeit. 


[i] Royston Maldoom: englischer Choreograf, bekannt durch seine tanzpädagogischen Projekte mit Jugendlichen. Das bekannteste Projekt ist im Film „Rhythm Is It!“ dokumentiert