Meine Jüngste ist ein Kindergartenkind. Nach den Weihnachtsferien sind viele Erzieher/innen im Krankenstand. Ich erhalte eine Mail, dass der Kindergarten die Betreuung nicht aufrechterhalten kann und in den Notbetrieb geht. Wir Eltern sollen die Kinder bitte nur bringen, wenn wir einen dringenden Bedarf haben. Es folgt eine Woche normaler Kitabetrieb. Dann rauscht die Omikron-Welle heran. Meine Jüngste wurde als Kontaktperson identifiziert. Mitten in einen Arbeitstag hinein erhalte ich einen Anruf: Ich möge sie bitte sofort abholen. Fünf Tage soll meine Tochter nun zuhause bleiben, dann kann sie mit einem negativen Testergebnis wieder in die Kita. Das Kitaglück währt keine Woche, dann hat sie sich infiziert. Also sieben Tage Quarantäne für die ganze Familie. Die Jüngste hat mich angesteckt. Jetzt sind nicht nur alle drei Kinder zu Hause, sondern ich bin auch noch krank. Nach sieben Tagen testen wir uns alle „frei“. Halleluja! Da ist schon die nächste Mail der Kita im Postfach. Nix Halleluja. Omikron hat auch viele Erzieher/innen erwischt. Die Kita befindet sich wieder im Notbetrieb, die Betreuungszeiten sind eingeschränkt. Mit viel Glück läuft der Kindergartenbetrieb ab nächster Woche wieder normal. Ich habe einen irrsinnigen Rückstand an Klienten Terminen und Büroaufgaben. In zwei Wochen beginnen die Winterferien der Schulkinder. Na wunderbar. Wenigstens sind die geplant und planbar. Aber nein, nichts mit geplant und planbar: Gerade wurde die Skifreizeit des Großen abgesagt.
Corona stresst, das ist nicht neu. Ein gewisses Maß an Stress im Sinne von Eustress kann positiv sein und uns helfen, gewohnte Bahnen zu verlassen und unser Glück in der Nichtplanbarkeit des Lebens zu finden. Ressourcen-reichen und gesunden Menschen ist das meist möglich. Es braucht jedoch nicht viel Phantasie, um sich auszumalen was passiert, wenn meine anekdotisch erzählte Corona-Chronologie Mütter und Väter trifft, die an einer Depression erkrankt sind, mit einer Angststörung kämpfen, ein Suchtproblem nicht in den Griff bekommen, in einer dysfunktionalen Partnerschaft leben, finanzielle Probleme haben, in einer beengten Wohnsituation leben, unter einer schwerwiegenden körperlichen Erkrankung leiden und/oder vielleicht nur ein besonders herausforderndes Kind haben. Dann ist die coronabedingte zusätzliche Belastung der gute Liter, der das Fass mehr wie zum Überlaufen bringt.
Parallel zur Belastung auf Seiten der Eltern wächst die Belastung auf Seiten der Kinder. Für sie wird die äußere Welt mit den Schulschließungen, Quarantäneregelungen, dem eingeschränkten Vereinswesen und den sich stetig verändernden Corona-Maßnahmen unberechenbar und unzuverlässig. Mal findet in unserer Kita der Morgenkreis statt, dann wieder eine Woche nicht. Mal trifft sich die Vorschulgruppe, dann wieder nicht. Der Ausflug der Vorschulkinder ins Museum musste kurz nach Ankunft im Museum abgebrochen werden, weil mittenrein die Nachricht vom Gesundheitsamt kam, dass die Kinder vor vier Tagen(!) Kontakt mit einer positiv getesteten Person hatten. Mal darf die Klasse unserer mittleren Tochter zum Sport in die Turnhalle, dann wieder nicht. Mal darf sie mit den Kindern der anderen Klassen spielen, dann wieder nicht. Mal ist ihre Lehrerin da, dann wieder nicht. Mal muss sie sich nur einmal die Woche testen, dann dreimal, dann zweimal, diese Woche jeden Tag. Mal ist das Hallenbad auf, dann wieder zu. Der Große freute sich auf die Skifreizeit in Österreich – die wurde jetzt zwei Wochen vor Start abgesagt. Gewohnte Strukturen und Verbindlichkeiten erweisen sich als brüchig. Dazu kommt die Angst vor dem v.a. für Kinder nicht greifbaren Virus. Die Kinder brauchen mehr denn je den sicheren Hafen der Familie. Sie brauchen Eltern, die ihre Unsicherheit, Ängste und Irritationen feinfühlig auffangen und begleiten. Sie brauchen Eltern, die ihnen die Struktur und Sicherheit bieten, die in der äußeren Welt gerade oft fehlt. Sie brauchen Geduld, Zeit und liebevolle Zuwendung – jetzt mehr denn je.
Eltern, deren eigenes Fass längst übergelaufen ist, schaffen das nicht mehr – oder nicht in ausreichendem Maße. Die Folgen sind bekannt und schaffen es immer mal wieder in die Medien: Die Kinder- und Jugendpsychiatrien laufen voll. Manche sprechen hier von Triage, weil nicht alle behandlungsbedürftigen Kinder und Jugendliche die nötige Behandlung bekommen. Auch Notfälle müssen abgewiesen werden. Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen, Essstörungen, Übergewicht und Suizidversuche bei Kindern und Jugendlichen haben sich in den Pandemiejahren verdoppelt bis verdreifacht. Der Medienkonsum und die damit einhergehende Suchtgefahr ist gestiegen. All das ist bekannt – und es passiert – NICHTS! Außer dass die Politik jetzt, nach zwei Lockdowns, den Kurs fährt Schulschließungen so lange es irgendwie geht zu vermeiden. Das ist gut, wobei niemand davon redet, unter welchen Bedingungen die Kinder mit dem Maskentragen, den Abstandsregeln, den nicht planbaren Isolationen und Quarantänen, dem Dauerlüften und den regelmäßigen Testungen eigentlich zur Schule gehen. Klassenfahrten, Theaterprojekte und andere Dinge, die Spaß machen, die Lebensfreude fördern und der Gemeinschaft dienen, finden schon lange nicht mehr statt.
Auf der einen Seite die alarmierenden Zahlen der Fachverbände und Fachpersonen, auf der anderen Seite die oft verharmlosend anmutende Sicht auf den Pandemie-Alltag der Kinder. Die Kinder hätten sich daran gewöhnt, hört man oft. Sie würden die Maßnahmen prima und ohne Murren mittragen. Manche sprechen sogar davon, wie löblich die Kinder vor dem Hintergrund des Virus Verantwortung übernehmen und ihren Beitrag leisten würden. Die Pandemie verlangt uns allen einiges ab, auch den Kindern, ist halt so.
Was stimmt denn nun? Wie geht es den Kindern in der Pandemie? Ist alles halb so wild oder ist die Situation dramatisch? Stellen die Pandemie-Bedingungen eine Entwicklungsgefährdung dar? Dürfen wir wirklich wahrnehmen, wie es den Kindern geht oder ist es für alle einfach leichter uns auf die Anpassungsfähigkeit der Kinder zurückzuziehen? Darf vielleicht nicht sein, was nicht sein soll? Was ist mit dem Stellenwert des Kindeswohls passiert? Wo ist er hin?
Das sind unbequeme und provokante Fragen. Für die Kinder müssen wir sie stellen und wir müssen uns diesen Fragen stellen. Ich möchte mich diesen Fragen über fachliche Überlegungen und über Beobachtungen in meiner beruflichen Praxis annähern und aus entwicklungspsychologischer Perspektive Antworten geben. Dabei werde ich drei Punkte fokussieren: Die Auswirkungen der Pandemiebedingungen auf wichtige Beziehungen der Kinder, das Tragen der Masken und die Folgen der Hygienemaßnahmen und der Testungen.
AUWIRKUNGEN DER PANDEMIEBEDINGUNGEN AUF BINDUNGSBEZIEHUNGEN
Schlüsselfaktor bei Aufbau und Pflege einer sicheren Bindung ist die elterliche Feinfühligkeit. Feinfühligkeit bedeutet: Die Bezugsperson ist aufmerksam und nimmt auch nonverbale Äußerungen des Kindes wie Mimik und Verhalten wahr. Sie interpretiert diese Signale richtig, erkennt so die Bedürfnislage des Kindes und reagiert dem Kind angemessen. Bekannt ist, dass Stress die elterliche Feinfühligkeit deutlich verringert. Bekannt ist auch, dass viele Mütter und Väter in Zeiten von Corona an ihre Belastungsgrenze und über diese hinauskommen. Eine fachliche Hypothese wäre also, dass Aufbau und Pflege sicherer Bindungsbeziehungen durch die pandemischen Bedingungen gefährdet sind. Das hätte dramatische langfristige Konsequenzen, ist doch eine sichere Bindung die Basis für eine gute Entwicklung eines Kindes und der wesentlichste Resilienzfaktor für sein gesamtes weiteres Leben. Meine Erfahrungen im Rahmen meiner Elternberatungen unterstützen diese Sorge. Dazu kommt, dass viele Eltern große Angst vor dem Virus und einer möglichen Corona-Erkrankung haben und/oder große Sorge, dass sie vulnerable Angehörige anstecken könnten. Wenn Eltern Angst haben, ist es für sie schwer, für ihre Kinder sichere Basis und sicherer Hafen zu sein.
Die moderne Bindungsforschung fokussiert längst nicht mehr ausschließlich die Eltern-Kind-Beziehung. Auch andere Menschen, wie z.B. Erzieher/innen und Lehrer/innen werden zu wichtigen Bezugspersonen im Leben eines Kindes. Wie wirken sich die Unterbrechungen durch Isolationen und Quarantänen auf die Qualität der Beziehung aus? Eine Lehrerin hat mir berichtet, sie sei mehrere Wochen in Quarantäne gewesen (da ihre eigenen Kinder sich nacheinander infiziert haben). In dieser Zeit sei ihre Klasse (achtjährige Kinder) von insgesamt fünf Ersatzlehrer/innen betreut worden. In einer Weiterbildung erzählten mir Lehrer/innen von einer immensen Mehrbelastung in Zeiten von Corona. Kinder, die in Quarantäne sind, müssen parallel zum Präsenzunterricht zuhause mit Materialien versorgt werden. Die eigenen Kinder sind zum Teil zuhause in Isolation. Nach einem positiven Testergebnis in der Klasse sind eine ganze Reihe von Telefonaten nötig. Die Kinder müssen sich in der Zeit selbst beschäftigen. Wie wirkt sich die Belastung der Lehrer/innen auf ihre Feinfühligkeit aus? Auf ihre Fähigkeit, kindliche Signale wahrzunehmen, angemessen zu interpretieren und bedürfnisorientiert zu handeln? Und auch pädagogische Fachkräfte haben zum Teil große Angst sich anzustecken. Wie wirkt sich diese Angst im Kontakt mit den Kindern aus? Wird z.B. körperliche Nähe mehr als sonst vermieden? Werden die Kinder sorgenvoll zum Einhalten der Hygieneregeln ermahnt? Dazu kommt die Maskenpflicht. Auf diese werde ich in einem eigenen Punkt eingehen.
Was ist mit der Beziehung zu den Großeltern? Die müssen seit zwei Jahren geschützt werden und werden oft nicht mehr so regelmäßig und unbeschwert wie früher besucht und in den Arm genommen. In meiner psychotherapeutischen Praxis bin ich immer wieder beeindruckt davon, wie wichtig die Großeltern für die inzwischen erwachsenen Klienten einst waren und oft immer noch sind. Eine so wichtige Beziehung, die gerade oft leidet und die vielleicht in ihrer Bedeutung viel zu wenig ernst genommen wird.
Wie sieht es mit der Beziehung der Kinder zu Gleichaltrigen aus? Kinder sind soziale Wesen. Sie brauchen den vielfältigen Kontakt zu anderen Kindern. In meinem beruflichen und privaten Umfeld bekomme ich mit, dass Treffen nicht mehr selbstverständlich und deutlich weniger geworden sind. Kindergeburtstage finden oft nicht statt. Übernachtungspartys sind selten geworden. Der Vereinssport ist eingeschränkt, Klassenfahrten meist gestrichen. Dazu kommen Zeiten der Isolation und Quarantäne, die gänzlich ohne Kontakt zu den so wichtigen Freunden sind. Was bedeutet das für die Kinder? Was für ihre Beziehungen?
Deutlich wird: Die Angst vor dem Virus und die entsprechenden Maßnahmen belasten und verändern die Beziehungen der Kinder. Kinder sind Gruppenwesen. Sie brauchen verlässliche und vielfältige soziale Kontakte. (Bindungs)Beziehungen sind DER Schlüsselfaktor, wenn es um eine gute Entwicklung von Kindern und um den Aufbau einer psychischen Widerstandsfähigkeit (Resilienz) geht. Leiden Beziehungen ist das ein schleichender Prozess. Das ganze Ausmaß der Folgen wird vermutlich erst in Jahren, vielleicht auch erst in Jahrzehnten sichtbar werden. Umso mehr ein Grund, JETZT ernst zu nehmen, dass unser Umgang mit Corona mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine nachhaltig negative Wirkung auf wichtige Beziehungen und auf die Beziehungskompetenz unserer Kinder hat.
DAS TRAGEN VON MASKEN AUS ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGISCHER PERSPEKTIVE
In Deutschland müssen Kinder ab sechs Jahren, also ab dem Grundschulalter in der Schule eine Maske tragen, in Luxemburg entsprechend ab dem Cycle 2. Kinder, die in der Früh- und/oder Nachmittagsbetreuung sind, tragen DEN GANZEN TAG eine Maske. Im Extremfall sind das zwölf Stunden. Das bedeutet: Ihre eigene Mimik wird sehr reduziert wahrgenommen und die Kinder sehen auch die Mimik der Lehrer/innen und Schulkamerad/innen nicht. Über die Mimik drückt ein Mensch mehr aus, als er es sprachlich könnte. Vor allem unsere emotionale Verfassung kommunizieren wir über die Mimik. Auch konnotieren wir über die Mimik das, was wir sprachlich ausdrücken. V.a. Kinder brauchen die Rückversicherung, wie Dinge gemeint sind. Dazu müssen sie dem Gegenüber ins Gesicht schauen. Der Austausch von mimischen Signalen ist ein wichtiger Teil jedes Beziehungsgeschehens. Das Senden und Entschlüsseln von mimischen Signalen ist ein Schlüsselfaktor beim Erwerb der so wichtigen emotionalen und sozialen Kompetenzen. Kinder mit Wahrnehmungsstörungen und/oder emotionaler Entwicklungsverzögerung sind in erhöhtem Maße auf deutliche mimische Signale angewiesen. Was sind die Folgen einer stark reduzierten Mimik in sozialen Kontakten? Für die Kinder das Erleben, nicht wahrgenommen, emotional nicht verstanden zu werden. Zudem erhalten sie zu wenige Signale, um die Gefühls- und Bedürfnislage ihres Gegenübers differenziert erfassen zu können. Damit erhält z.B. das Gehirn zu wenig Information für die so wichtige Entwicklung von Empathie. Auch die soziale Feinabstimmung, also die Abstimmung des eigenen körpersprachlichen Ausdrucks und Verhaltens auf das Gegenüber leidet. Das kindliche Gehirn befindet sich noch in Entwicklung. Damit Neuronen miteinander verknüpft werden braucht es entsprechende Informationen und Erfahrungen. Bleiben diese aus oder sind stark reduziert, dann kann sich der entsprechende Gehirnbereich nicht gut ausbilden. Aufgrund der Grundlagenforschung hierzu ist davon auszugehen, dass die Folgen stark reduzierter mimischer Signale für die Entwicklung emotionaler und sozialer Fähigkeiten gravierend sind.
Auch die Sprachentwicklung leidet. Gerade in Luxemburg war der Erwerb der luxemburgischen Sprache vor dem Hintergrund der vielen Kinder, die zuhause eine andere Muttersprache sprechen, immer ein Schwerpunkt. Wie soll ein Kind eine Sprache lernen, wenn es den Mund nicht sieht? Die Mundbewegungen sind wichtig für die richtige Aussprache von Wörtern. Lehrer/innen haben mir berichtet, dass viele Kinder Wörter zunehmend falsch schreiben, weil sie die Aussprache nicht richtig hören. In Deutschland gilt das entsprechend für den Fremdsprachenunterricht.
Wir nehmen den Kindern seit vielen Monaten die Möglichkeit, ihrem Gegenüber in vielen Kontexten frei ins Gesicht zu schauen. Ich möchte mir als Psychotherapeutin nicht vorstellen, was das für die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung für diese Generation bedeutet, unter diesen Bedingungen der zwischenmenschlichen Interaktion und Kommunikation aufzuwachsen.
Leiden die Kinder unter den Masken? „Masken zu tragen ist für Sechsjährige schon Routine“ – so betitelte eine luxemburgische Zeitung einen entsprechenden Artikel. Und in einem Untertitel: „Die Kinder verstehen, dass man eine Maske tragen muss“. Also alles gut!? Letztlich wissen wir nicht, was hinter den Masken in den Kindern vorgeht. Die meisten schweigen dazu, tragen es mit, kooperieren, gehorchen – weil sie auf die Kooperation mit uns Erwachsenen angewiesen sind, weil sie uns vertrauen, weil sie von uns abhängig sind.
FOLGEN DER HYGIENEMASSNAHMEN UND DER TESTUNGEN
Aus psychotherapeutischer Perspektive ist die Fixierung auf ein Virus ein dysfunktionaler Umgang mit Lebensrisiken. Die Masken, die regelmäßigen Testungen und die übrigen Maßnahmen erinnern ständig an die Existenz des Virus. Die Angst sich oder andere anzustecken, wird so aufrechterhalten und ist immer aktiviert. Klar, dass Angst- und Zwangsstörungen rapide zunehmen, nicht nur bei den Kindern.
Aber für die Kinder ist es besonders schwierig. Sie verstehen vieles noch nicht, weil sie kognitiv und emotional noch nicht gereift sind. Sie bekommen Angst und Panik vermittelt und können diese Emotionen nicht i.S.v. „Ich bewerte jetzt mal selbst, wie das mit dem Virus ist“ relativieren.
In dieselbe Kerbe schlagen die ständigen Ermahnungen zum ordnungsgemäßen Tragen der Maske und zum Abstandhalten. Sie vermitteln den Kindern: „Achtung, Du gefährdest andere und andere könnten Dich gefährden“. „Die Welt ist ein gefährlicher Ort“ – das impfen wir täglich ein. Ein kollektives Trauma, das wir den Kindern mit auf den Weg geben.
Zudem haben Angst, Stress, Panik und Misstrauen einen negativen Einfluss auf das Immunsystem. Das ist gesichertes Wissen der Psychoneuroimmunologie. Und das Immunsystem der Kinder schwächen wir gerade eh schon durch die Hygienemaßnahmen, die zur Folge haben, dass die Kinder viel zu wenig mit Keimen, Bakterien und Viren in Berührung kommen.
FAZIT
Die Bedingungen, die wir den Kindern in der Pandemie zumuten, sind in hohem Maße als entwicklungsgefährdend einzuschätzen.
Dabei werden sicher nicht alle Kinder gleichermaßen geschädigt. Gesunde Kinder, die in sicheren Bindungen und in stabilen Familienverhältnissen aufwachsen werden weit weniger betroffen sein. Auch eine gute finanzielle Situation und günstige Wohnverhältnisse sind wichtige Schutzfaktoren. Kinder, die so privilegiert aufwachsen, sind jedoch die Minderheit.
Das bedeutet: Die Mehrheit der Kinder nimmt gerade Schaden. Das ist dramatisch.
WAS IST JETZT NOT-WENDIG?
Die Bedürfnisse der Kinder müssen in einem viel stärkeren Maße wieder zum Leitstern der Politik werden. Dazu muss die Politik ihren Berater/innenkreis erweitern und die Anwälte der Kinder (Fachverbände, Kinderärzt/innen, Kinder- und Jugendtherapeut/innen, Psycholog/innen, Pädagog/innen…) mehr hören. Die vorhandenen Studien müssen ernst genommen, geprüft, ergänzt und handlungsleitend werden. Das Kindeswohl muss endlich in den Mittelpunkt gestellt werden. Kinder genießen in Deutschland und auch in Luxemburg einen besonderen Schutz. Dazu haben sich die BRD 1992 und Luxemburg 1993 mit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet. Das Kindeswohl muss bei allen staatlichen Entscheidungen, die sich auf Kinder auswirken können, vorrangig berücksichtigt werden (Art. 3, Abs.1). Die Politik hat bei der Bewältigung der Corona-Krise die Kinder als besonders Verletzliche in unserer Gesellschaft zunehmend aus dem Blick verloren. Das ist ein Fakt. Wenn das Leid, das durch die Corona-Maßnahmen entsteht, gesehen wird, wird es als das „kleinere Übel“ bewertet. Das ist diskussionswürdig. Soweit die politische Ebene. Auf die können wir uns aber allein nicht berufen. Letztlich können wir die Verantwortung nicht abgeben.
Neben der politischen Ebene geht es um die Übernahme persönlicher Verantwortung. Bei meiner Recherche bin ich auf einen bemerkenswerten Essay der Philosophin Hannah Arendt gestoßen: “Was heißt persönliche Verantwortung in einer Diktatur”. Hannah Arendt hat den Text 1964 und 1965 mehrfach als Vortrag gehalten, 1991 wurde er erstmals publiziert und jetzt vom Münchner Piper Verlag neu herausgegeben. Nun leben wir zum Glück nicht in einer Diktatur, aber in einem Ausnahmezustand. Bürgerliche Freiheitsrechte sind eingeschränkt und durch die Corona-Maßnahmen ist jeder gesellschaftliche Raum von der herrschenden Politik durchdrungen. Arendt plädiert klar für eine “Trennung von politischer und persönlicher Verantwortung” und meint damit: “Wir können uns nicht darauf berufen, nur ein Rädchen im Getriebe gewesen zu sein”. Da will niemand mehr hin. Wir sind gefordert, in unserem kleinen Wirkungskreis das (für uns) ethisch “Richtige” tun, auch wenn es ggf. dem gesetzlichen “Richtig” nicht ganz entspricht. Für den Umgang mit gesetzlichen Vorgaben tragen wir persönliche Verantwortung. Wir können uns nicht darauf zurückziehen, uns einfach an die gelten Regeln gehalten zu haben, zumal diese meist mit heißer Nadel gestrickt wurden und die Auswirkungen auf die Kinder oft nicht bedacht wurden. Das ist eine Bürde, eröffnet aber auch einen Handlungsspielraum. Wir können etwas tun!
Auf beiden Ebenen – der politischen und der persönlichen – kann es nur eine Veränderung zugunsten des Kindeswohls geben, wenn das Narrativ „Es gibt keine Alternative. Das Virus zwingt uns zu diesen Maßnahmen“ infrage gestellt wird. Das Virus zwingt uns zu nichts. Unser Umgang mit ihm ist unsere Entscheidung. Es sind politische Entscheidungen und es sind persönliche Entscheidungen. Treffen wir sie – für unsere Kinder!
Vielen Dank für diesen Artikel, den ich dem Schuldirektor meiner Tochter geschickt habe.
Liebe Jana, vielen Dank für Dein wertschätzendes Feedback und fürs Weiterleiten!
Liebe Susanne, ich bringe das auch direkt mal in die Runde unserer Schule. 🙂 Ich habe mich in deiner Beschreibung der Kita-Schließungen etc. so wiedergefunden! LG und hoffentlich auf bald. Anabell
Lieben Dank, Anabell für Deine wertschätzende Rückmeldung! Ja, es finden sich viele darin wieder. Herzliche Dank fürs Weitergeben und liebe Grüße an Dich!