Die Schulen haben das Homeschooling entdeckt. Ein bischen kann ich mir ja das Grinsen nicht verkneifen. Als ich unseren Sohn nach mehrjährigem Homeschooling vor wenigen Wochen in seiner jetzigen Schule angemeldet habe musste ich seitens der Schulleitung in unserem ersten persönlichen Gespräch erst mal über mich ergehen lassen, dass sie von Homeschooling im Allgemeinen und von Schule via Internet im Besonderen absolut nichts hält. Und nun … machen sie es selbst… . So  ändert Corona die Zeiten … 🙂

Und die Schule unseres Sohnes macht das richtig toll. Innerhalb kurzer Zeit haben sie auf die Beine gestellt, dass die  Schüler/innen via ANTON Aufgaben erhalten (ich finde die App richtig klasse). Über eine andere App können die Klassenkamerad/innen zueinander und zu den Lehrer/innen Kontakt aufnehmen. Manchmal erhält unser Sohn auch eine Mail von seiner Klassenlehrerin. Da steht immer am Ende “Wir vermissen Dich” oder “Wir vermissen unsere tolle 5a”. Ganz lieb und bindungsorientiert.

Zu den inhaltlichen Anforderungen an die fünfte Klasse ein Auszug aus der letzten Mail: Liebe Klasse 5, die Schule ist zu aber das Lernen geht weiter. Bitte übe jeden Tag (insgesamt) eine Stunde Mathe, (insgesamt) eine Stunde Deutsch, (insgesamt) eine Stunde Englisch, (insgesamt) eine Stunde für ein anderes Fach. Aber: Es ist besser, das Fach auch mal zu wechseln. Beispiel: 15 Minuten Vokabeln, dann 15 Minuten Einmaleins, dann 15 Minuten lesen … Aber insgesamt sollst Du pro Fach auf eine Stunde kommen. … Diese Aufgaben sind Pflicht.

Wenn ihr ein 10 oder 11jähriges Kind habt, das diese Anleitung selbständig umsetzt: Herzlichen Glückwunsch! Die allermeisten Kinder werden viel Unterstützung seitens der Eltern benötigen – die müssen motivieren, strukturieren, das Kind begleiten.

Die Situation in den Familien ist gerade sehr unterschiedlich. Da gibt es die klassische Familie mit einem (Schul)kind – er arbeitet im Homeoffice, sie betreut die Kinder. Es gibt Familien mit mehreren Kindern. Womöglich hat das Schulkind noch 2-3 jüngere Geschwister. Es gibt Familien, die haben neben dem Schulkind noch behinderte oder chronisch kranke Kinder. Es gibt Alleinerziehende mit all den genannten möglichen Konstellationen. Es gibt Familien denen es gerade gut geht. Es gibt Familien, die schon vor Corona in der Krise waren und jetzt kommt Corona mit den Ängsten, die damit einhergehen und mit den Einschränkungen noch dazu. Es gibt Mütter und Väter, denen es gut geht. Es gibt Mütter und Väter, die eh schon unter Druck sind, weil sie eine Angststörung haben, depressiv sind, unter chronischen Schmerzen leiden, chronisch erschöpft sind … und jetzt kommt Corona mit den Ängsten die damit einhergehen und mit den zusätzlichen Belastungen noch dazu. Es gibt Familien, die freuen sich darüber, endlich mal so viel Zeit miteinander zu  verbringen. Es gibt Familien, die so viel Nähe nicht gewohnt sind. Es gibt Familien, die leben in einem Haus mit Garten. Es gibt Familien, die leben in einer kleinen Mietwohnung. Es gibt Familien, die können sich und das Schulkind gut organisieren. Es gibt Familien, denen das schwer fällt.

In China ist unter Corona die häusliche Gewalt um das 2-3fache gestiegen. Das Letzte, was Familien gerade brauchen ist unnötiger Stress. Bitte, liebe Schulleitungen und Lehrer/innen – ihr macht gerade eine großartige Arbeit – aber bitte nehmt den Druck raus. Weist Eltern und Schüler/innen darauf hin, dass die Aufgaben ein Angebot sind, aber dass die Familien auf ihre Grenzen achten sollen. Dass ein gutes Familienklima viel viel wichtiger sind als gemachte Schulaufgaben. Bitte, liebe Mütter und Väter – ihr macht gerade eine großartige Arbeit – aber bitte nehmt den Druck raus bzw. lasst ihn erst gar nicht rein :-). Dass es euch und den Kindern gut geht und dass die Stimmung in der Familie gut ist, ist viel wichtiger als gemachte Schulaufgaben.