Online-Psychotherapie war für mich lange nicht vorstellbar. Das passt nicht zu mir und meiner Art zu arbeiten, dachte ich immer. Als Psychotherapeutin und gerade als Körperpsychotherapeutin brauche ich die reale Präsenz von Klient/innen in einem Raum. Viele Informationen können nur in direkter körperlicher Nähe übermittelt werden – die Art des Blickkontakts, die Atmung des Gegenübers oder andere feine Körpersignale. Auch aus Perspektive der Bindungsforschung dachte ich: Nein, Schmerzen lindern und beruhigen kann nur allein die körperliche Präsenz eines anderen. Zudem geht es ja auch in der Psychotherapie um den Aufbau einer Bindungsbeziehung – wie bitte schön, soll das online gelingen?
U.a. aufgrund einer chronisch zu werden drohenden Erkrankung der Atemwege unserer jüngsten Tochter begannen wir dann mehrmals pro Jahr länger zu verreisen – in unterschiedliche Länder, aber immer ans Meer. Klient/innen bot ich ohne groß darüber nachzudenken an, während meiner längeren Abwesenheiten via Skype in Kontakt zu bleiben. Mein Anliegen war, die Konstanz der therapeutischen Beziehung zu pflegen. Und ich war sehr überrascht, wie groß der Effekt von Skype-Sitzungen sein kann. Trotz der Distanz entstand bei mir ein Gefühl der Verbundenheit und der Nähe. Geringer als beim direkten Kontakt, aber weitaus stärker als erwartet. Auch die Klient/innen erlebten den Kontakt via Skype als hilfreich.
Dauerhaft zurück in Trier (mit “normalen” kleinen Urlauben zwischendurch 🙂 ) war für mich der Kontakt zu Klient/innen via digitaler Medien selbstverständlicher geworden. Sie kontaktieren mich zum Beispiel über Whatsapp zur Terminabsprache, aber auch wenn etwas in ihrem aktuellen Leben sie beunruhigt, ängstigt oder einfach beschäftigt. Ich antworte darauf so zeitnah, wie es mir möglich ist und erhalte oft die Rückmeldung, dass der digitale Kontakt zu mir unglaublich hilfreich gewesen sei. Wenn ich weiß, das Klient/innen gerade eine schwere Zeit durchmachen, melde ich mich auch mal von mir aus und frage nach, wie es geht.
Spannend ist für mich der Blick aus Perspektive der Bindungsforschung: Zum Aufbau einer sicheren Bindungsbeziehung ist es wichtig, die Signale des Kindes wahrzunehmen und möglichst prompt und einfühlsam darauf zu reagieren. Genau dies ermöglich der Online-Kontakt zu Klient/innen zwischen den Sitzungen. Ein anderer Aspekt: für Klient/innen mit sehr schwierigen frühen Bindungserfahrungen ist es häufig leichter, online in Distanz mit mir Kontakt zu gehen und sich zu öffnen. Dies bereitet oft erst den Boden für einen persönlichen therapeutischen Kontakt.
An eine Klientin mit traumatischen frühen Bindungserfahrungen erinnere ich mich. Für sie war es im Erstgespräch unglaublich schwierig, mit mir in (Blick)Kontakt zu gehen. Ich meinerseits hatte das Gefühl, dass das was ich sage gar nicht bei ihr ankommt. Nach diesem Erstgespräch schrieb sie mir mehrere längere Nachrichten. Diese waren lebendig, klar und spiegelten ihre emotionale und soziale Kompetenz. Auf meine Antworten reagierte sie schnell und drückte darin v.a. ihr Erleben, ihre Dankbarkeit und ihr Vertrauen mir gegenüber aus. In unserem zweiten persönlichen Treffen erlebte ich überrascht eine “andere” Klientin. Sie war in der Lage offen und lebendig mit mir in Kontakt zu treten und meine Beiträge aufzunehmen. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Ich vermute jedoch, dass unser Online-Kontakt zwischen den Sitzungen positiv zu dieser Veränderung beigetragen hat.
Manchmal sprechen auch einfach praktische Gründe für eine Online-Psychotherapie, etwa wenn Klient/innen familiär oder beruflich stark eingebunden sind und keine regelmäßigen Termin wahrnehmen können oder wenn sie aufgrund einer körperlichen Erkrankung nur eingeschränkt mobil sind. Früher war es für mich selbstverständlich, dass Klient/innen die zuhause kleine Kinder betreuten, Angehörige pflegten und/oder beruflich sehr engagiert waren wöchentlich in meiner Praxis erschienen. Das war für mich klar eine Sache von Prioritäten setzen. Heute – den Alltag mit drei Kindern wuppend und dazu noch beruflich tätig – ist mein Blick milder und wohl auch realistischer. Ich weiß, wie erschöpft man sein kann, gerade wenn dann auch noch eine psychische Belastung dazukommt. Regelmäßige Termine, die oft ja auch mit mehr oder weniger langen Fahrtzeiten verbunden sind, können dann ein zusätzlicher Stressor sein, für den die Kraft vielleicht nicht mehr reicht.
Natürlich eignet sich Online-Therapie nicht für jede/n. Man muss schon eine gewisse Technikaffinität mitbringen und die Freude daran, sich schriftlich auszudrücken. Auf Therapeut/innenseite braucht es dazu noch die Bereitschaft, mit Klient/innen außerhalb der Sitzungen in Kontakt zu stehen und je nach Situation auch zeitnah zu reagieren. Auf jeden Fall macht Online-Therapie die Psychotherapielandschaft reicher an Vielfalt und das begrüsse ich sehr.
Fazit: Zur Zeit praktiziere ich eine sog. gemischte Psychotherapie und erweitere das klassische Therapiesetting in meinem Praxisraum um Bestandteile internetbasierter Interventionen. Mein Ziel ist es, das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Online-Psychotherapie ist längst etabliert und es finden sich im Netz viele Anbieter. Ich selber betrachte mich auf diesem Gebiet eher noch als Forschungsreisende – und finde es wie bei meinen “echten” Reisen unglaublich spannend und bereichernd, Neuland zu erkunden!
Für Interessierte hier noch weiterführende Informationen zu meinem Online-Angebot
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