Frau Marie-Paule Wietor-Modert, Leiterin des Centre de Placement familial der Croix-Rouge, hat es abgelehnt, uns in das Auswahlverfahren für Pflegeeltern aufzunehmen.
HINTERGRUND:
Wir haben uns an den Service de Placement Familial der Croix Rouge gewandt, weil wir ein Pflegekind bei uns aufnehmen wollen. Am 21.07.2008 waren wir bei einem Informationsgespräch. Als nächsten Schritt haben wir beantragt, ins Selektionsverfahren aufgenommen zu werden und dazu die erforderlichen Unterlagen eingereicht. Am 11.08. erhielten wir einen Anruf von zwei Mitarbeiterinnen des Service Placement. Sie teilten uns mit, dass unsere Unterlagen angekommen und in Ordnung wären. Ihre Chefin wolle uns jedoch aufgrund unserer sexuellen Orientierung nicht ins Selektionsverfahren aufnehmen. In einem Brief vom 12.08. teilt uns Frau Wietor-Modert folgendes mit: „Donnant suite à votre offre de prestation, je suis au regret de vous informer que notre service n`a pas de vacance qui correspond à votre profil et à vos attentes.“ (In Folge Ihres Leistungsangebotes bedaure ich Ihnen mitzuteilen, daß unser Service kein Angebot hat, das Ihrem Profil und Ihren Erwartungen entspricht).
Auf der Internetseite der Croix Rouge steht, daß sie Pflegeeltern suchen und wir wissen, daß es in Luxembourg nicht genügend Pflegeeltern gibt.
Wir haben gehört, daß ein Jugendrichter sich vor einiger Zeit dagegen ausgesprochen hat, ein Pflegekind in eine lesbische Familie zu geben. Vielleicht hat dies ja auch mit zur Entscheidung von Frau Wietor-Modert beigetragen.
SOLLEN HOMOSEXUELLE PAARE KINDER AUFNEHMEN KÖNNEN – DIE WICHTIGSTEN ÜBERLEGUNGEN UND UNSERE STELLUNGNAHMEN DAZU:
Wir wissen, dass es in der Gesellschaft kritisch diskutiert wird, ob homosexuelle Paare Pflegekinder aufnehmen können sollen. Hier die Überlegungen, die uns in diesem Zusammenhang in den Vorgesprächen mit mehreren Vermittlungsdiensten genannt wurden (und die wir auch in der Literatur gefunden haben) sowie unsere Stellungnahmen dazu:
1. Ein zusätzliches “Anderssein” durch das Aufwachsen in einer gleichgeschlechtlichen, vom Staat nicht anerkannten und vom Großteil der Bevölkerung abgelehnten Partner/innenschaft, kann für Pflegekinder eine doppelte Diskriminierung bedeuten.
Unsere Stellungnahme: Mit der eingetragenen Partnerschaft gibt es eine staatliche Anerkennung, auch wenn sie nicht ausreichend ist. Dies geht einher mit einer zunehmenden Aktzeptanz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in der Bevölkerung, die wir auch tagtäglich erleben. Als wir uns vor drei Jahren “gepacst” haben, erhielten wir viele Blumengrüße und Glückwunschkarten von Bekannten, Nachbar/innen und Kund/innen. In unserem beruflichen und persönlichen Alltag erleben wir überwiegend einen völlig selbstverständlichen, wertschätzenden und akzeptierenden Umgang mit unserer sexuellen Orientierung.
Natürlich erleben wir auch Ausgrenzung. Unsere Gesellschaft ist alles andere als frei von Diskriminierung und wir sind immer wieder gefordert, damit einen aktiven Umgang zu finden – so wie jetzt. In Bezug auf ein Pflegekind betrachten wir unsere Ausgrenzungserfahrungen als Chance, ein Kind im Umgang mit seinem “Anderssein” gut unterstützen zu können.
2. Männliche und weibliche Bezugspersonen sind wichtig für Kinder.
Unsere Stellungnahme dazu: Kinder brauche in erster Linie eine Vielfalt an Bezugspersonen, die sie lieben und in ihrer Entwicklung begleiten und unterstützen. Jeder Mensch hat seine persönlichen Stärken und Schwächen, seine eigene Persönlichkeit. Ein Kind, das mehrere Bezugspersonen hat, hat viele Modelle. Es kann aus einem reichen Angebot an Vorbildern schöpfen und sie in seine kleine Persönlichkeit integrieren. Das Geschlecht ist dabei zweitrangig. Zudem besteht ca. die Hälfte der Menschheit aus Frauen, die andere aus Männern und ein Kind wird also die Möglichkeit haben, Erfahrungen mit beiden Geschlechtern zu machen.
3. Die leiblichen Eltern, die ja sowieso meist dagegen sind, daß ihr
Kind in eine Pflegefamilie kommt, wollen auch nicht, dass es in eine lesbische Pflegefamilie kommmt.
Unsere Stellungnahme: Wir gehen davon aus, daß ein professioneller Vermittlungsdienst auch gegenüber den leiblichen Eltern eine nicht-diskriminierende Haltung vertritt (“die sexuelle Orientierung von Pflegeeltern ist kein Kriterium”, “wir suchen Pflegeeltern danach aus, ob sie gut für ihr Kind sind”, “wir reden jedoch gerne mit Ihnen über Ihre Ängste und Befürchtungen diesbezüglich”).
RECHTLICHE SITUATION:
Das Antidiskriminierungsgesetz verbietet Diskriminierungen u.a. aufgrund der sexuellen Orientierung.
Das Gesetz ASFT (regelt die Beziehungen zwischen Staat und sozialen Einrichtungen) vom 08.09.98 verbietet ebenfalls Diskriminierungen aufgrund ideologischer, philosophischer oder religiöser Überlegungen.
UNSER WEITERES VORGEHEN
Da die Überwachung des ASFT Gesetzes dem Familienministerium obliegt, haben wir einen Brief an die Familienministerin geschrieben. Des weiteren haben wir über unsere Rechtsanwältin einen Brief an Frau Wietor-Modert gerichtet. Zudem haben wir uns brieflich mit einer Beschwerde an die Direktion der Croix-Rouge gewandt.
Mit der Ombutsfrau für Kinderrrechte haben wir einen Termin vereinbart. In Luxemburg sind viele Säuglinge und Kleinkinder in Heimen untergebracht. Das ist bekanntermassen die schlechteste aber oft die einzigste Lösung. Von Frau Rodesch möchten wir wissen, wie ihre Haltung dazu ist, wenn es die Alternative einer schnellen Platzierung bei einer (auch lesbischen)Pflegefamilie gibt.
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