Online-Psychotherapie via Email, Skype und Whatsapp – aus Perspektive der Bindungsforschung betrachtet

Online-Psychotherapie war für mich lange nicht vorstellbar. Das passt nicht zu mir und meiner Art zu arbeiten, dachte ich immer. Als Psychotherapeutin und gerade als Körperpsychotherapeutin brauche ich die reale Präsenz von Klient/innen in einem Raum. Viele Informationen können nur in direkter körperlicher Nähe übermittelt werden – die Art des Blickkontakts, die Atmung des Gegenübers oder andere feine Körpersignale. Auch aus Perspektive der Bindungsforschung dachte ich: Nein, Schmerzen lindern und beruhigen kann nur allein die körperliche Präsenz eines anderen. Zudem geht es ja auch in der Psychotherapie um den Aufbau einer Bindungsbeziehung – wie bitte schön, soll das online gelingen?

U.a. aufgrund einer chronisch zu werden drohenden Erkrankung der Atemwege unserer jüngsten Tochter begannen wir dann mehrmals pro Jahr länger zu verreisen – in unterschiedliche Länder, aber immer ans Meer. Klient/innen bot ich ohne groß darüber nachzudenken an, während meiner längeren Abwesenheiten via Skype in Kontakt zu bleiben. Mein Anliegen war, die Konstanz der therapeutischen Beziehung zu pflegen. Und ich war sehr überrascht, wie groß der Effekt von Skype-Sitzungen sein kann. Trotz der Distanz entstand bei mir ein Gefühl der Verbundenheit und der Nähe. Geringer als beim direkten Kontakt, aber weitaus stärker als erwartet. Auch die Klient/innen erlebten den Kontakt via Skype als hilfreich.

Dauerhaft zurück in Trier (mit “normalen” kleinen Urlauben zwischendurch 🙂 ) war für mich der Kontakt zu Klient/innen via digitaler Medien selbstverständlicher geworden. Sie kontaktieren mich zum Beispiel über Whatsapp  zur Terminabsprache, aber auch wenn etwas in ihrem aktuellen Leben sie beunruhigt, ängstigt oder einfach beschäftigt. Ich antworte darauf so zeitnah, wie es mir möglich ist und erhalte oft die Rückmeldung, dass der digitale Kontakt zu mir unglaublich hilfreich gewesen sei. Wenn ich weiß, das Klient/innen gerade eine schwere Zeit durchmachen, melde ich mich auch mal von mir aus und frage nach, wie es geht.

Spannend ist für mich der Blick aus Perspektive der Bindungsforschung: Zum Aufbau einer sicheren Bindungsbeziehung ist es wichtig, die Signale des Kindes wahrzunehmen und möglichst prompt und einfühlsam darauf zu reagieren. Genau dies ermöglich der Online-Kontakt zu Klient/innen zwischen den Sitzungen. Ein anderer Aspekt: für Klient/innen mit sehr schwierigen frühen Bindungserfahrungen ist es häufig leichter, online in Distanz mit mir Kontakt zu gehen und sich zu öffnen. Dies bereitet oft erst den Boden für einen persönlichen therapeutischen Kontakt.

An eine Klientin mit traumatischen frühen Bindungserfahrungen erinnere ich mich. Für sie war es im Erstgespräch unglaublich schwierig, mit mir in (Blick)Kontakt zu gehen. Ich meinerseits hatte das Gefühl, dass das was ich sage gar nicht bei ihr ankommt. Nach diesem Erstgespräch schrieb sie mir mehrere längere Nachrichten. Diese waren lebendig, klar und spiegelten ihre emotionale und soziale Kompetenz. Auf meine Antworten reagierte sie schnell und drückte darin v.a. ihr Erleben, ihre Dankbarkeit und ihr Vertrauen mir gegenüber aus. In unserem zweiten persönlichen Treffen erlebte ich überrascht eine “andere” Klientin. Sie war in der Lage offen und lebendig mit mir in Kontakt zu treten und meine Beiträge aufzunehmen. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Ich vermute jedoch, dass unser Online-Kontakt zwischen den Sitzungen positiv zu dieser Veränderung beigetragen hat.

Manchmal sprechen auch einfach praktische Gründe für eine Online-Psychotherapie, etwa wenn Klient/innen familiär oder beruflich stark eingebunden sind und keine regelmäßigen Termin wahrnehmen können oder wenn sie aufgrund einer körperlichen Erkrankung nur eingeschränkt mobil sind. Früher war es für mich selbstverständlich, dass Klient/innen die zuhause kleine Kinder betreuten, Angehörige pflegten und/oder beruflich sehr engagiert waren wöchentlich in meiner Praxis erschienen. Das war für mich klar eine Sache von Prioritäten setzen. Heute – den Alltag mit drei Kindern wuppend und dazu noch beruflich tätig – ist mein Blick milder und wohl auch realistischer. Ich weiß, wie erschöpft man sein kann, gerade wenn dann auch noch eine psychische Belastung dazukommt. Regelmäßige Termine, die oft ja auch mit mehr oder weniger langen Fahrtzeiten verbunden sind, können dann ein zusätzlicher Stressor sein, für den die Kraft vielleicht nicht mehr reicht.

Natürlich eignet sich Online-Therapie nicht für jede/n. Man muss schon eine gewisse Technikaffinität mitbringen und die Freude daran, sich schriftlich auszudrücken. Auf Therapeut/innenseite braucht es dazu noch die Bereitschaft, mit Klient/innen außerhalb der Sitzungen in Kontakt zu stehen und je nach Situation auch zeitnah zu reagieren. Auf jeden Fall macht Online-Therapie die Psychotherapielandschaft reicher an Vielfalt und das begrüsse ich sehr.

Fazit: Zur Zeit praktiziere ich eine sog. gemischte Psychotherapie und erweitere das klassische Therapiesetting in meinem Praxisraum um Bestandteile internetbasierter Interventionen. Mein Ziel ist es, das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Online-Psychotherapie ist längst etabliert und es finden sich im Netz viele Anbieter. Ich selber betrachte mich auf diesem Gebiet eher noch als Forschungsreisende – und finde es wie bei meinen “echten” Reisen unglaublich spannend und bereichernd, Neuland zu erkunden!

Für Interessierte hier noch weiterführende Informationen zu meinem Online-Angebot

 

 

 

 

Bindungsbewusste Einschulung

Bindungsbewusste Einschulung

Die Freie Montessori Schule Trier zeigt sich hier wegweisend

Die Trierer Schullandschaft ist nun reicher an Vielfalt. Vor wenigen Tagen startete die Freie Montessori Schule Trier mit einer ersten Lerngruppe. Mittendrin unsere mittlere Tochter als freudige und stolze Erstklässlerin.

Warum wir uns für die Montessori Schule entschieden haben? In der Freien Montessori Schule Trier lernen die Kinder in weiten Teilen selbstbestimmt – sie entscheiden selbst, mit welchem Material und Thema sie sich beschäftigen möchten. Es gibt kaum Frontalunterricht – jedes Kind lernt in seinem Tempo und seinen aktuellen Interessen entsprechend. Das tolle Montessori-Material erlaubt den Kindern erst mal abstrakte Dinge wie Buchstaben und Zahlen zu be-greifen. Die Kinder lernen altersgemischt in jahrgangsübergreifenden Gruppen, wobei die Jahrgangsmischung in Trier mit jedem weiteren Schuljahr erst aufgebaut wird. Die Freie Montessori Schule Trier ist inklusiv. Alle Kinder – in ihrer ganzen Vielfalt – lernen gemeinsam. Und last but not least gibt es keine Noten und keine Hausaufgaben.

Zur Montessori Pädagogik und ihrer Umsetzung an der Freien Montessori Schule Trier in einem späteren Artikel mehr. Heute möchte ich den Fokus auf den Prozess der Einschulung richten. Dieser hat mich für unsere Tochter unglaublich gefreut und fachlich sehr beeindruckt! Denn: So bedeutsam und von der modernen Lernforschung unterstützt die oben genannten Merkmale auch sind: letztlich entscheidet die Qualität der Beziehungen, ob ein Kind gerne in die Schule geht und dort angstfrei lernen kann!

Unsere Tochter hat ihre Lehrerinnen und Mitschüler/innen bereits im Januar kennengelernt. Da das Schulgebäude noch nicht bezugsfähig war, waren Eltern und Kinder ins Montessori-Kinderhaus auf dem Petrisberg eingeladen. Für die Eltern gab es Kaffee. Die Lehrerinnen haben die Kinder in kleine Gruppen eingeteilt und mit ihnen eine gemeinsame Stunde gestaltet. Ziel war es, die Kinder kennen zu lernen und eine ausgewogene und arbeitsfähige erste Lerngruppe zusammenzustellen. Bis zur Einschulung Mitte August folgten drei sog. Aktionsnachmittage im Schulgebäude. An zwei dieser Tage haben die Kinder je ca. eineinhalb Stunden mit den Lehrerinnen gebastelt, um das Schulgebäude zu gestalten. Am dritten Aktionsnachmittag hat die Musiklehrerin mit den Kindern Lieder für die Eröffnungsfeier und für die Einschulung einstudiert. Am Freitag vor dem ersten Schultag ging ich mit unserer Tochter erneut in die Schule. Sie durfte ihre Materialien in unterschiedliche mit ihrem Namen versehene Fächer im Klassenraum einräumen. Es folgte am Tag darauf die Eröffnungsfeier der Freien Montessori Schule Trier und am Montag dann der erste – verkürzte – Schultag mit einer kleinen gemeinsamen Einschulungsfeier. Nach der Feier gab es für Eltern, Familienangehörige und Freunde Kaffee und Kuchen, während die Kinder im Klassenraum ihre erste Unterrichtsstunde hatten.

An den Aktionsnachmittagen konnten wir Eltern so lange wie wir wollten bei den Kindern bleiben. Ich bin jeweils nach ca. 10 Minuten in den Nachbarraum gegangen. Von Seiten der pädagogischen Fachkräfte gab es jedoch keinerlei Druck, sich von den Kindern zu trennen. Dafür bin ich wirklich sehr dankbar – habe ich mich doch in anderen pädagogischen Institutionen schnell mit dem Etikett “überbehütende Mutter, die sich nicht lösen kann” gelabelt gefühlt, wenn ich dem Bindungsbedürfnis meines Kindes gefolgt bin.

Für unsere Tochter gab es also 6 elternbegleitete Kontakte zu den pädagogischen Fachkräften, den Mitschüler/innen und dem Schulgebäude. Am ersten “richtigen” Schultag war es ihr so leicht möglich, mich zu verabschieden. Sie war voller Vorfreude und aufgeregt, aber frei von Angst.

In Krippen und Kitas ist eine elternbegleitete Eingewöhnung inzwischen Qualitätsstandard. Es gibt eigens Konzepte dafür wie z.B. das Berliner Modell. Grundlage ist die Bindungsforschung. Der Kerngedanke ist, dass die Kinder beim Eintritt in eine pädagogische Institution solange die Begleitung einer Bindungsperson benötigen, bis sie eine ausreichend vertrauensvolle Beziehung zu mindestens einer pädagogischen Fachkraft aufgebaut haben.

Googelt man “elternbegleitete Eingewöhnung” kommen unzählige Einträge zur Eingewöhnung in Krippe und Kindergarten. Meine Google-Recherche zu “Elternbegleitete Eingewöhnung Schule” ,”Elternbegleitete Einschulung” und “Bindungsorientierte Einschulung” ergab null Treffer. Toll, dass die Freie Montessori Schule Trier etwas lebt, was es laut Google gar nicht gibt … ?

Es gab allerdings einige Artikel die betonen, dass die Kinder am ersten Schultag ohne Eltern ins Klassenzimmer gehen müssen und dass das ja auch gut sei. Die Kinder müssten schließlich selbständig werden. Es ärgert mich immer wieder, wenn Erwachsene davon überzeugt sind, sie seien die “Macher” der Selbständigkeit ihrer Kinder … und ohne ihr Schubsen würden die Kinder nie selbständig. Alle Kinder wollen sich von ihren Eltern lösen … das ist ihr innewohnendes Entwicklungsbedürfnis … und sie machen diesen Schritt freudig und stolz, wenn sie sich sicher genug fühlen. Es geht immer wieder um das Vertrauen in die Kinder, dass sie den nächsten Entwicklungsschritt aus eigenem Antrieb machen, wenn sie dazu bereit sind. Und nicht wenn die Erwachsenen meinen, jetzt sei der Zeitpunkt gekommen oder wenn Institutionen vorgeben, wann der Tag X da ist.

In der Lerngruppe unserer Tochter sind Kinder zwischen 8 und 6 Jahren. Da ist doch klar, dass der Tag X nicht für alle Kinder der gleiche Tag sein kann, oder? Da liegen rein biologisch zwei Jahre dazwischen, die Spanne der Entwicklung ist noch weit grösser.

Klar sind da Kinder dabei, die den Schuleintritt auch ohne vorhergehenden Bindungsaufbau zu den pädagogischen Fachkräften schon bewältigen können. Aber es sind auch Kinder dabei, für die dieser Schritt von großer Angst begleitet ist. Von diesen Kindern wiederum werden einige ihre Angst bewältigen können, andere nicht. Für die ist der Schuleintritt dann traumatisch. Traumatisch bedeutet, dass die Angst so groß ist, dass das Gehirn überfordert ist mit den bekannten langfristigen Folgen.

Angstfreiheit ist die zentrale Voraussetzung für Lernen. Eltern und Lehrer/innen möchten in Schulen Voraussetzungen schaffen, dass die Kinder gut lernen können. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass bewusst in Kauf genommen wird, dass manche Kinder schon bei der Einschulung auf der Strecke bleiben.

Es geht aber anders, wie unsere Erfahrung mit der Freien Montessori Schule Trier zeigt. Ein herzliches Dankeschön dafür!

SOS! Mein Kind tobt, schreit, schlägt um sich – weil ich nicht mache, was es will!

Erste Hilfe bei Wutanfällen

Vor zwei Stunden: Wir sind im Urlaub in Thailand. Mich hat hier eine grässliche Mittelohrentzündung erwischt, die heute dankenswerterweise ihren Zenit überschritten hat. D.h. das Pochen im Ohr verbunden mit grellem Schmerz lässt langsam nach bzw. ist mit einer vertretbaren Dosis Ibuprofen zu bändigen. Eine befreundete Familie hat die beiden Großen mit zu einem Ausflug genommen. Ich kann mit der Kleinen einen erholsamen Mittagsschlaf halten – der ein jähes Ende findet. Die Kleine wacht mit der fixen Idee auf, mit mir zum 1 km entfernten Supermarkt zu gehen und dort ein Eis zu kaufen. Und noch etwas anderes lockt sie. Die Freunde haben ihren Buggy da gelassen. Den dürfen wir nur ganz selten benutzen. Dabei liebt sie ihn. Sie könnte also im Buggy gefahren werden und dabei auch noch ein Eis bekommen. Allein die Vorstellung überflutet ihr Gehirn mit Glückshormonen. Entsprechend strahlend erzählt sie mir ihren Plan. Aber: Ich ertrage gerade nur die klimaanlagenregulierte Temperatur im Bungalow, draußen herrscht brütende Hitze und auf dem Weg zum Supermarkt gibt es keinen Schatten. Also – ich, schlaftrunken und zögerlich, mit einer dunklen Vorahnung, was auf mich zu kommt: “Das schaffe ich heute nicht. Ich bin noch krank. Wenn es mir besser geht …”. Weiter komme ich nicht. In einer Sekunde von null auf hundert: unsere Jüngste ist enttäuscht, wütend, traurig und verzweifelt und drückt ihre Gefühle mit allen Möglichkeiten, die ihr zur Verfügung stehen, aus. Sie schreit, schlägt um sich, schimpft, wirft sich auf den Boden … . Als sie sich etwas beruhigt hat, mache ich ihr einen Vorschlag. Wir gehen zum Restaurant und schauen ob es dort ein Eis gibt. Wenn nicht, fahren wir mit dem Taxi zum Supermarkt. Sie lässt sich darauf ein, in der festen Überzeugung, dass das Restaurant kein Eis hat (wir sind schon fast vier Wochen hier und haben im Restaurant noch nie Eis gegessen) trottet sie hinter mir her. Das Restaurant hat Eis. Mist. Ihr eigentlicher Plan war ein anderer … und schon geht es wieder los … sie schreit, schlägt nach mir, wirft sich auf den Boden … .

Also packe ich seufzend meinen inneren Erste-Hilfe-Koffer für Wutanfälle aus.

Für einen sicheren Rahmen Sorge tragen:

  • Mein “Nein (wir gehen nicht zum Supermarkt)” bleibt ein “Nein”. Eine klare Entscheidung gibt ihr Sicherheit. Und wohl auch zu erleben, dass ich für meine Bedürfnisse sorge.
  • Ich trage dafür Sorge, dass sie weder sich noch mir ernsthaft weh tut.
  • Ich schreie, schimpfe, drohe, bewerte nicht (“Wie kannst du nur so ein hässliches Theater machen” – O-Ton einer Erzieherin, in einer ähnlichen Situation).
  • Ich bleibe zugewandt, in freundlichem Kontakt mit ihr.
  • Manchmal bedeutet für einen sicheren Rahmen sorgen auch, das Kind weg von einer gaffenden Zuschauermenge an einen ruhigen Ort zu tragen. Das ist nicht nötig, da das Restaurant leer ist.

Die Gefühle und Bedürfnisse meiner Jüngsten benennen. So lernt sie ihre Gefühle in Worte zu fassen. In ein bis zwei Jahren kann sie dann ihre Wut anders ausdrücken. Und sie erlebt, dass ihre Gefühle und Wünsche o.k. sind.

  • “Du bist enttäuscht. Das Eis im Supermarkt magst du so gerne. Und du wärst so gerne mit dem Buggy gefahren”.
  • “Das macht dich richtig sauer, dass ich da nicht mit dir hingehe. Du bist so wütend, dass du Lust hast, mich zu schlagen. Das ist o.k., aber ich lasse nicht zu, dass du mir weh tust.”
  • “Ein bischen bist du auch traurig. Du hattest dich so auf den Buggy und das Eis gefreut”.

Ich bemühe mich beim Reden, mich in ihren emotionalen Zustand einzufühlen und ihn mit meiner Stimmlage widerzuspiegeln. Es beruhigt ein Kind am schnellsten, wenn wir Resonanzkörper für seine Gefühle sind.

Ich gebe ihr Zeit. Gefühle klingen ab, wenn sie ausreichend Zeit und Raum bekommen, das weiß ich. Es hilft mir geduldig abzuwarten, wenn ich denke: “Wie schön, dass sie so viel Vertrauen zu mir hat.  Sie zeigt mir ihre Wut, ihre Enttäuschung, ihre Trauer ungeschminkt. Wie schwer fällt das oft uns Erwachsenen. Wie groß ist unsere Angst vor Bewertung und Verurteilung.

Ich haben für den sicheren Rahmen und für eine feinfühlige, wertschätzende Begleitung gesorgt. Jetzt sorge ich für mich und bestelle mir ein Eis. Zögerlich aber neugierig kommt mein Kind. Ich frage, ob sie mal probieren will. Sie will. Kokosnusseis ist nicht so ihr Ding. Ich sage, sie könne auch ein Schokoladeneis haben. Ja, das will sie.

Und was jetzt passiert, ist wirklich schön. Friedlich sitzt sie neben mir und genießt fröhlich plaudernd und lachend ihr Eis. Zurück im Bungalow steht sie mitten in einer Spielsituation auf, kommt zu mir und umarmt mich zärtlich. “Oh Mamili” sagt sie dabei. Wir zwei sind nach einer Differenz wieder vereint. Darüber freuen wir uns beide.

Eigenlob stinkt. Über sich selbst sagt man nichts Gutes – so haben wir Älteren zumindest es oft gelernt. Wer mich kennt, weiß, wie oft ich im Alltag in schwierigen Situationen mit meinen Kindern scheitere und hinter meinen Ansprüchen und meinem Wissen zurückbleibe. Natürlich ist das so. Das ist bei mir nicht anders, wie bei allen anderen Eltern auch. Aber Wutanfälle von kleinen Kindern kann ich richtig gut begleiten. Da kann ich etwas weitergeben. Deshalb habe ich diesen Artikel geschrieben. Und ich freue mich immer Artikel oder Bücher von anderen zu lesen, die mir etwas geben können.

Liebe Grüsse, Susanne

Langstreckenflug mit Kindern

Langstreckenflug mit Kindern

Wer wagt, gewinnt … eine wunderschöne Familienzeit an den schönsten Plätzchen der Erde! Viel alleinreisend mit 3 Kindern hier meine Erfahrungen und Tipps für einen guten Flug.

Ein guter Flug mit mehreren Kindern … bei einer Flugzeit von 17 Stunden und mehr? Die gute Nachricht: Ja, das ist durchaus möglich – auch ohne Dauerberieselung durch Tablet und Co! Und noch eine gute Nachricht: Du kannst etwas dafür tun!

Vor 5 Tagen bin ich mit unseren drei Kindern (4, 8 und 10 Jahre alt) nach Koh Phangan in Thailand gereist. 3 befreundete Familien aus Trier (mit Kindern von 2-5 Jahren) haben uns begleitet. Reisezeit von Haus zu Bungalow: 27 Stunden. Verkehrsmittel: Auto, erstes Flugzeug, zweites Flugzeug, drittes Flugzeug, Fähre, Taxi. Hier schon ein erster Tipp: Das würde ich nicht mehr so machen ? ! Der Flug war der günstigste, aber 2x das Flugzeug wechseln und dann noch auf die Fähre … das war des Guten zuviel. Die Kinder haben das zwar super mitgemacht, aber für meine Begriffe waren sie zu “durch” und zu erschöpft … und ich bei Ankunft auch. Vor einem Jahr bin ich alleine mit den Kindern nach Bali gereist – ähnliche Reise- und Flugzeit aber nur ein Umstieg in ein anderes Flugzeug und nach der Landung waren wir auch ziemlich direkt in unserem Hotel. Das war um einiges entspannter.

Das zweimalige Umsteigen in ein anderes Flugzeug war auch deshalb so stressig, weil wir jeweils nur eine bis eineinhalb Stunden zum Umsteigen hatten. Das war kaum zu schaffen. Wir sind sowohl in Peking als auch in Bangkok mit 8 müden Kindern durch den Flughafen gerannt. Sich auf einem fremden Flughafen zurechtfinden, das richtige Gate entdecken, durch die Sicherheitskontrolle … uff … .
Achtet also beim Buchen darauf, dass ihr genügend Zeit zum Umsteigen habt … und bedenkt, dass ein Flugzeug auch mal Verspätung haben kann. 2-3 Stunden solltet ihr auf jeden Fall zwischen 2 Flügen haben.

Zu allem Überfluss ist auch unser gesammeltes Gepäck nicht am Zielflughafen angekommen. Es hat wohl auch die kurzen Umsteigezeiten nicht geschafft. War eigentlich nicht so tragisch, weil es schnell geortet wurde und uns die Nachlieferung am nächsten Tag in unser Resort versprochen wurde. Trotzdem nicht so angenehm, nach dem ersten erfrischenden Bad im Pool wieder in die verschwitzte und schmutzige Kleidung steigen zu müssen. Nehmt deshalb ins Handgepäck mit, was ihr in den ersten ein bis zwei Tagen dringend benötigt, also Wechselkleidung, Badekleidung, Schwimmflügelchen, Sonnenschutz, Insektenschutz und Zahnbürste. Für Flüssigkeiten ist ein Zipbeutel mit einem Volumen von einem Liter erlaubt. Jede sich darin befindliche Flüssigkeit darf max. 100ml umfassen.

Mit Kindern vergeht die Zeit wie im Flug … es gibt so viel zu entdecken und zu bestaunen!

 

 

 

Jetzt noch ein paar Packtipps fürs Handgepäck. Die haben alle 4 Familien für euch zusammengetragen. Für Anzahl, Größe und Gewicht des Handgepäcks hat sich auf den Flughäfen niemand interessiert (Air China und Bangkok Airways).

  • Elektronische Geräte wie Laptop, Tablet, Smartphone, Powerbank, Fotoapparat … müssen beim Sicherheitscheck ausgepackt werden. Befinden sich alle Elektrogeräte in einer Tasche, ist das wesentlich einfacher und spart Zeit.
  • Pro Kind einen Kinderrucksack mit einem Proviantbeutel und einer kleinen Auswahl an Spielsachen.
  • Gesunde Snacks: Wenn das Essen im Flugzeug serviert wird, schläft Dein Kind vielleicht oder es schmeckt ihm nicht. Nimm deshalb selbst ausreichend Essen mit, wie z.B. Reiswaffeln, rundes Pumpernickelbrot (kam bei bei den Kindern sehr gut an …), Käsestangen, Salamisticks, Käsewürfel, getrocknete Früchte, Karottensticks, Gurkenscheiben… . Ich hatte für meine Kinder jeweils einen Überraschungsproviantbeutel gepackt, in dem sich natürlich auch ein paar Lieblingssüßigkeiten befanden.
  • Wasser: Wasser dürft ihr nicht mit durch die Sicherheitskontrolle nehmen. Wir hatten leere Wasserflaschen aus Metall dabei, die wir nach dem Sicherheitscheck im Klo aufgefüllt haben. In Ländern, in denen das Leitungswasser keine Trinkwasserqualität hat, findet man auf den Flughäfen oft Trinkwasserspender. Im Flugzeug kannst du dir die Flaschen nach Bedarf auffüllen lassen.
  • Schlafen: Auf unserem Flug nach Bali gab es in beiden Flugzeugen viele leere Sitzreihen im hinteren Bereich (deshalb reserviere ich immer dort Sitzplätze…). Das war toll. Wir konnten die leeren Reihen zum Schlafen nutzen. Diesmal hatten wir diesbezüglich kein Glück. Alle Flugzeuge waren voll belegt. Für unsere mittlere Tochter habe ich deshalb mit Kissen und Decken (gibt es im Flugzeug) ein Bett im Fußbereich vor unserer Dreierreihe bereitet. Dort hat sie prima stundenlang geschlafen. Die Kleine hatte so auf den Sitzen genug Platz zum Liegen. Sie hat so ebenfalls viel geschlafen. Meinem 10jährigen Sohn habe ich ein Nackenhörnchen geschenkt. Das hat ihm sehr geholfen im Sitzen zu schlafen.
  • Spielsachen: Wir hatten nur wenig Spielzeug im Handgepäck. Für Kinder ist eine Flugreise meist aufregend und verbunden mit vielen neuen Eindrücken. Da braucht es im Flugzeug nicht direkt Ablenkung. Nach dem Abflug ist bei uns immer Zeit, das Erlebte zu “verdauen”. Meine Kinder genießen es immer sehr, dass ich einfach ruhig neben ihnen sitze und Zeit habe – es piepst keine Waschmaschine, kein Trockner, keine Spülmaschine, keine Küche will aufgeräumt werden … . Kuscheln und Reden – dann wird auch meist schon das erste Essen serviert. Unser 10jähriger schmeißt allerdings sobald er im Flugzeug ist, den Bordcomputer an … und darf das natürlich auch. Für die beiden Jüngeren befinden sich im Kinderrucksack Pixibücher, ein Malbuch, ein Stickerbuch und Malstifte (alles für die Kinder neu und unerwartet in einem Überraschungsbeutel). Das war völlig ausreichend. Für den Großen sein Kindle mit Büchern und Hörspielen, ein Comicbuch, ein Rätselheft, Zauberknete und ein Rubikon-Würfel. Natürlich hatte ich auch ein Tablet mit heruntergeladenen Kinderfilmen und Spielen dabei. Das kam aber gar nicht so viel zum Einsatz. Toll war natürlich auch, dass befreundete Familien mit an Bord waren und sich die Kinder gegenseitig besuchen konnten.

Hier noch ein paar Amazon Links zu unseren Lieblingsspielsachen. Wenn Du über diese Links bestellst, erhalte ich eine kleine Prämie. Für Dich wird der Artikel nicht teurer. Danke!

Mein erstes Stickerbuch – Wir fliegen in den Urlaub: Kofferpacken, Check-in, Start und Landung – das ist für Kinder eine aufregende Sache. In diesem Buch wird das alles sehr schön und kurz beschrieben. Die Texte enthalten Leerstellen, in die Dein Kind Sticker einkleben kann. Zusätzlich darf auf jeder Seite ein Entchen gesucht werden. Dafür gibts einen “Ente gefunden Sticker”. Unsere Kinder lieben dieses Buch!

Zauberknete: Dehnt sich wie ein Kaugummi, hüpft wie ein Ball, zerreißt wie Papier und trocknet niemals aus. Unser 10jähriger Sohn hat sich sehr über diese Überraschung in seinem Rucksack gefreut!

Rubiks Zauberwürfel: Immer wieder toll, gerade für ältere Kinder! Auch ein Überraschungsgeschenk für unseren Sohn, das gut ankam und während dem Flug super gerne bespielt wurde.

Jetzt genießen wir wunderschöne Tage auf Koh Phangan. Eine Nachbarinsel von Koh Samui, die sich mit ihren herrlichen und ruhigen Sandstränden und einem fast badewannenwarmem Meer gerade für Familien mit Kindern prima eignet.

Liebe Grüße und Dir hoffentlich bald wunderschöne Frühlingstage in Deutschland,

Susanne

Wir Freilerner im Wandel

Wir Freilerner im Wandel

“If you change nothing, nothing will change”

Nein, keine Angst, als Freilerner sind wir nicht gescheitert ? … es war nur an der Zeit, etwas zu verändern. Aber von vorne … . Als unser jetzt 10jähriger Sohn in der 1. Klasse der Waldorfschule Trier immer unglücklicher wurde (und wir leider auch erst zu spät mitbekamen, wie sehr er litt und wie wenig die LehrerInnen sich um die Kinder gekümmert haben), nahmen wir ihn von der Schule. Wir beschlossen, das Abenteuer Freilernen zu wagen. Bald wollte unsere mittlere Tochter auch nicht mehr in den Kindergarten. Wir waren also nun eine Freilerner-Familie. Mehr dazu im Artikel “Wie wir zur Freilerner-Familie wurden”.
Wir sind viel gereist. Ein halbes Jahr haben wir auf La Gomera gelebt, 3 Monate in Südspanien und 2 Monate auf Bali. Dazwischen waren wir immer wieder für längere Zeit in Trier, um unsere Homebase-Kontakte zu pflegen. Unser schulfreies Leben haben wir sehr genossen – sowohl auf Reisen als auch Zuhause. Schulfrei bedeutete, unseren eigenen Rhythmus leben zu können. Nach dem halben Jahr Schulerfahrung war es für mich ein großes Geschenk, wieder ins Bett gehen zu können wann wir wollen, weil morgens kein Wecker klingelte, keine Verpflichtung wartete. Schulfrei bedeutete, reisen zu können und viel gemeinsam zu erleben. Schulfrei bedeutete, dass die Kinder in ihrem Tempo und geleitet von ihren Interessen lernen konnten.
Drei Jahre lang war das wundervoll, gut und stimmig. Wie das nun mal so ist, wurden die Kinder in dieser Zeit älter und sowohl ihre als auch meine Bedürfnisse änderten sich.
Es änderte sich aber auch mein Blick auf das Freilernen. Meine anfängliche Begeisterung wurde von einem differenzierteren Blick abgelöst. Ich durfte wundervolle Freilerner-Familien kennen lernen und für viele davon fühlt sich dieser Weg auch mit älteren Kindern gut und richtig an. Die Kinder eignen sich auch ohne Schulbesuch ein breit gefächertes Wissen an und vertiefen aus eigenem Engagement heraus ihre Interessen. Wunderbar!
Mit dem Älter werden unserer Kinder wurde deutlich, dass sie mehr Begleitung und Anregung beim Lernen benötigen, wie ich ihnen – im Alltag viel alleine mit drei Kindern – bieten konnte. Auf der Suche nach Wegen stieß ich auf die WebIndividualschule in Bochum. Sie bietet internetbasierten individuellen Unterricht an. Konkret heißt das: unser Sohn skyped jeden morgen eine halbe Stunde mit seinem Lehrer und bearbeitet anschließend eigenständig Arbeitsblätter. Unser Sohn mag seinen Lehrer und liebt diese Form des Unterrichts. Schulerfolg und Schulabschlüsse sind mir nach wie vor nicht wichtig. Aber wichtig ist mir, dass die Kinder ihrem Potenzial entsprechend eine solide Basis erwerben, auf der sie später ihren weiteren Bildungsweg selbst gestalten können. Das erlebe ich einfach auch als meine Verantwortung. Unsere mittlere Tochter wird im Frühling 8 Jahre alt und wird  eine Montessori Schule in Trier besuchen. Diese Schule befindet sich gerade in Gründung und wird im kommenden Schuljahr mit der 1. Klasse starten. Unsere Tochter freut sich riesig darauf ein Schulkind zu werden. Sie ist sozial stark und blüht in Gemeinschaften sehr auf. Unsere Jüngste besucht mit ihren 4 Jahren seit 4 Wochen 4 Stunden täglich die Kita in unserer Strasse. Sie geht super gerne und ist begeistert von all dem Neuen, das es da zu entdecken gibt. Dadurch dass ich zuhause bin, konnten wir eine supersanfte Eingewöhnung gestalten und die tägliche Zeit, die sie in der Kita verbringt ganz langsam steigern. Jetzt schafft sie 4 Stunden. Ermüdet sie früher, ruft die Erzieherin mich an und ich hole sie ab.
Jedes Kind ist anders –  hat andere Bedürfnisse, nach vorstrukturierten Angeboten, nach selbst geleitetem Entdecken, nach Anleitung, nach in Gemeinschaft sein, nach Zuhause sein, nach Neuem, nach Vertrautem… Frei Lernen bedeutet, das im Blick zu haben und die entsprechenden Angebote zu entwickeln oder zu finden.

“Freiheit heißt auch, sich seine Abhängigkeit selbst wählen zu dürfen.”
Ernst Ferstl

 

 

 

Soziale Gemeinschaften: Die Zugehörigkeit zu ausserfamiliären Gemeinschaften und ausreichend Kontakt zu gleichaltrigen Kindern – das wurde mit zunehmendem Alter der Kinder eine weitere Herausforderung unseres Freilerner Daseins. Unsere 3 Kinder sind zwischen 4 und fast 11 Jahre alt. Da ist es nicht so leicht, altersentsprechende Kinder in ausreichendem Mass im Umfeld zu “organisieren”.
Wir treffen uns sehr viel mit anderen, dem freien Lernen nahe stehenden Familien. Doch deren Kinder sind i.d.R. noch nicht schulpflichtig, meist zwischen 0 und 5. Unser Sohn hat immer wieder geäußert, dass er sich mehr Kontakt zu Gleichaltrigen wünscht. Unsere 7jährige Tochter spielt auch sehr freudvoll mit jüngeren Kindern. Doch wir beobachten, dass sie mit Gleichaltrigen “anders” spielt, eine andere Rolle einnimmt. Seit ein paar Monaten hat sie eine “allerbeste” gleichaltrige Freundin und ist so glücklich darüber. Wenn sie mit “Lilli” zusammen ist, leuchtet unsere Tochter von innen heraus. Sie macht mit Lilli ganz andere Dinge als mit ihren jüngeren Freunden – wobei auch die jüngeren Spielkamerad/innen für unsere Tochter und für uns ganz wertvoll sind. Aber es ist einfach anders, wenn “beste Freundinnen” sich treffen … .
Also galt es auch bezüglich Integration in eine Gemeinschaft mit ähnlich alten Kindern nach Lösungen zu suchen. Bei unserer mittleren Tochter wird dies mit dem bevorstehenden Schulbesuch abgedeckt sein, bei der Kleinen durch den Besuch des Kindergartens. Unser Sohn besucht seit 4 Wochen einen Hort ganz in unserer Nähe und ist sehr glücklich dort. Er hat neue Freunde gefunden und liebt es, die Nachmittage mit ihnen zu verbringen.
Soviel zum Wandel der Bedürfnisse der Kinder.
Jetzt zu meinen ?
Seit neuneinhalb Jahren bin ich sehr reduziert berufstätig. In der Regel bin ich bei den Kindern – rund um die Uhr – 24h am Tag (ja, wir schlafen auch in einem gemeinsamen Familienbett …). Ich habe es unglaublich genossen, so viel Zeit mit unseren Kindern verbringen zu dürfen! Ich habe es immer als Luxus erlebt! Ich bin froh, dass wir das so entschieden haben. Wir würden es immer wieder genau so machen.
Aber in letzter Zeit wuchs mein Bedürfnis nach Freiräumen, um meinen Interessen jenseits der Kinder nachzugehen. Ich bin beruflich wieder mehr tätig – online und offline – und merke, wie viel Freude mir das macht, wie viel Energie und Kraft mir das gibt. Ich liebe meinen Beruf. Als Psychologin tätig zu sein bedeutet für mich, einen wichtigen Teil von mir zu leben. In mir sprudeln die Ideen und ich freue mich darauf, bald noch mehr Freiraum dafür zu haben.
Die Kinder beobachten verblüfft, dass ich regelmäßig vor dem Laptop “abtauche”. Immer häufiger sind das ganz harmonische Zeiten, wo sich die Kinder in ihre eigenen Dinge vertiefen. Wir “arbeiten” dann alle, denn das Spiel ist ja die Arbeit des Kindes … jeder für sich und doch zusammen. Wenn ich zufrieden wieder “auftauche”, dann bin ich wirklich “da”.
Ende gut, alles gut … ? … nein, so ist ja das Leben nicht … ein bischen unperfekt und holprig geht es weiter … .
Erst mal geht es auf nach Thailand. Dort werden wir ab Anfang März zwei Monate verbringen, um die Zeit, bevor wir ein reguläres Schulkind haben, nochmal so richtig zu nutzen. Du wirst bestimmt auch “Post” von mir aus Koh Phangan erhalten… .

Liebe Grüße, Susanne

Unser Familienleitbild

Unser Familienleitbild

Anfang Mai nahm ich an einer Weiterbildung  von Familylab „Vom Gehorsam zur Verantwortung – Beziehungskompetenz im pädagogischen Alltag“ in München teil. Dort durfte ich Karen Reitz-Koncebovski kennenlernen. In der Vorstellungsrunde erzählte sie, dass sie Mitglied einer Gruppe sei, die sich regelmäßig trifft, um pädagogische Themen in Verbindung mit Beziehungskompetenz und eigene Persönlichkeitsentwicklung zu diskutieren. Das hat mich neugierig gemacht. Bei einem gemeinsamen Abendessen erzählte sie mir von ihrem Buch „Edelsteine ans Licht bringen“[1]. Auf der Grundlage des Bahá´itums reflektiert sie in diesem pädagogische Fragen und setzt diese in Bezug zu den Ideen bekannter Pädagog/innen wie Rebecca Wilde, Jesper Juul, Maria Montessori und Remo Largo. Praxisbezogenes Ziel ihres Buches ist die Begründung eines Schulprojektes in der Nähe von Greifswald. So formuliert Karen Reitz-Koncebovski anstelle eines Nachwortes auch einen „Schulethos“ – ethische Grundsätze als Wertebasis für eine Schule, in der nicht inhaltliche Aspekte im Vordergrund stehen sollen, sondern das tägliche Miteinander im „Lebensraum“ Schule, die Qualität der Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden und die Prozesse des Lernens und Lehrens.

Der „Schulethos“ hat Karin und mich inspiriert, ein Leitbild für unsere Familie zu formulieren. Wir haben gemerkt, dass einem das so ein bischen fehlt, wenn man wie wir keiner Religion angehört. Nicht die Werte fehlen, sondern ihre Verschriftlichung, ihre Kultivierung sowie eine Verpflichtung dazu.

Hierzu – zu dem, was Atheisten von den Religionen lernen können – auch ein spannender Ted-Talk von Alain de Botton Atheism 2.0 .

Jetzt aber erst mal unser Familienleitbild:

Familienleitbild der KaSuNoMa_s

Die Basis der KaSuNoMa__s ist die Beziehung zwischen Karin und Susanne. Dieser Beziehung gebührt besondere Beachtung und Pflege. Im Alltag nehmen wir uns Zeit für einen regelmäßigen Austausch. Uns ist es wichtig, zu erfahren, wie es jeder geht, was jede beschäftigt und bewegt.  Auch ist uns wichtig, Situationen in unserem (Beziehungs)Alltag gemeinsam zu reflektieren und unser Miteinander weiterzuentwickeln. Insbesondere „wenn alles aus dem Ruder läuft“, besinnen wir uns auf unsere Basis – unsere Beziehung – arbeiten an ihr, nehmen uns Zeit dafür.

Wir entscheiden uns dafür, als ganze Menschen füreinander da zu sein [1]– dafür, mit all unseren Vorstellungen, Gedanken, Bestrebungen, mit unseren Gefühlen, mit unseren Grenzen, und durchaus auch mit unseren Eigenheiten füreinander spürbar zu sein. Es ist uns wichtig, wirklich „da“ und „authentisch“ zu sein, so dass ein echter persönlicher Kontakt zustande kommt   – sowohl im Kontakt mit den Kindern als auch zwischen uns Erwachsenen.

Allen KaSuNoMa_s gebührt die gleiche Würde[2], Erwachsenen ebenso wie den Kindern. Wir tun nichts, was den anderen verletzt, erniedrigt, beschämt oder ihm/ihr Angst macht. Wenn uns das nicht gelingt, dann übernehmen wir die Verantwortung und entschuldigen uns und/oder machen unser Fehlverhalten wieder gut. Dabei helfen die Erwachsenen den Kindern und die Erwachsenen helfen sich gegenseitig:

  • zu verstehen, warum sie sich so verhalten haben (welches Bedürfnis war verletzt, welche Gefühle hat das ausgelöst, was hätten sie vom anderen gebraucht …)
  • wahrzunehmen, dass ihr Verhalten die Würde des anderen verletzt hat
  • eine Idee davon zu bekommen, wie sie ihre Gefühle und Bedürfnisse hätten anders ausdrücken können – wie sie ihre Grenzen vertreten können, ohne die Integrität eines anderen zu verletzen
  • eine Form der Widergutmachung / Entschuldigung zu finden, die aus dem Herzen kommt und für alle Beteiligten o.k. ist

Dem zugrunde liegt die Haltung: Jeder darf Fehler machen[3], denn Fehler sind ein notwendiger Bestandteil eines jeden Lern- und auch Entwicklungsprozesses.

Die Erwachsenen tragen die Verantwortung[4]

  • für die Qualität des Umgangs miteinander
  • für die und der Wahrung der gleichen Würde persönlichen Integrität der Einzelnen
  • für die Gestaltung einer Umgebung, die die Werte unserer Familie verkörpert und die für die Entwicklung aller KaSuNoMa_s förderlich ist
  • für die Führung im Alltag
  • dafür, den Kinder in Lebensführung, Selbstfürsorge und  Beziehungsgestaltung zu anderen Vorbild zu sein

Die Kinder tragen – ebenso wie die Erwachsenen – die persönliche Verantwortung für sich selbst[5]. Dazu gehört auch die Verantwortung für ihren individuellen Lernprozess.

In punkto Lernen und Persönlichkeitsentwicklung sind uns folgende Dinge wichtig:

Jeder von uns darf und soll „mit eigenen Augen sehen[6], nicht mit denen anderer. Jeder darf und soll durch die eigene Erkenntnis Wissen erlangen, nicht durch die (seines) Nächsten“. In der Begleitung der Kinder sind wir zurückhaltend mit Erklärungen und Belehrungen. Wissen vermitteln wir nur dann, wenn die Kinder danach fragen. Wir tragen Sorge für ein anregungsreiches Umfeld, in dem die Kinder selbstgesteuert und forschend ihren Interessen nachgehen können. Wir gestehen den Kindern altersangemessene Autonomie zu und einen weiten Spielraum. Dieser Spielraum ist begrenzt durch die Bedürfnisse anderer Menschen und durch den notwendigen Schutz vor Gefahren. In diesem Spielraum dürfen die Kinder ausprobieren, testen, herausfinden, und es darf „schief“ gehen.  Auch die Erwachsen haben in der Familie die Möglichkeit, das was sie bewegt und beschäftigt zu vertiefen.

Es geht uns darum, in einer rasch sich verändernden Welt auf neue Fragen neue Antworten zu suchen und zu finden und damit die Gegenwart und  Zukunft mit Mut und Umsicht bewusst zu gestalten.[7]

In Bezug auf die Entwicklung der Kinder ist uns Erwachsenen wichtig, ihnen Zeit zu lassen und die Dinge dann zu lernen, wenn sie „reif“[8] dafür sind. Wir gehen davon aus, dass die Entwicklung eines Kindes von innen gesteuert ist und einem bestimmten inneren Plan folgt – ein „innerer Fahrplan“, der weiser ist als alle Lehrpläne und Entwicklungstabellen, die noch so kluge Erwachsene sich ausgedacht haben. Unsere Aufgabe als Erwachsene sehen wir darin, zu beobachten, wo ein Kind in seiner Entwicklung steht, wahrzunehmen, was es aus sich heraus tut, es dabei zurückhaltend zu unterstützen und es in nichts hineindrängen, wozu es noch nicht bereit ist.

Wir sind verschieden – und das ist wunderbar![9] Vielfalt bereichert! Jeder von uns hat besondere Eigenarten, Fähigkeiten und Begabungen. Wir können es nicht schöner ausdrücken als Martin Buber: „In jedermann ist etwas Kostbares, das in keinem anderen ist. Mit jedem Menschen ist etwas Neues in die Welt gesetzt, was es so noch nicht gegeben hat, etwas Ernstes und Einziges … Dieses Einzige und Einmalige ist es, was jedem vor allem auszubilden und ins Werk zu setzen aufgetragen ist, nicht aber, noch einmal zu tun, was ein anderer, und sei es der größte, schon verwirklicht hat …“.[10] Uns gegenseitig zu unterstützen, dieses Einzige und Einmalige auszubilden und ins Werk zu setzen – das ist unser Begehren.

Dazu schenken wir unsere Aufmerksamkeit den Stärken, positiven Eigenschaften, Fähigkeiten, Begabungen und Bestrebungen, nicht den Mängeln und Fehlern. [11]

Miteinander leben erfordert Achtsamkeit[12]. Das bedeutet für uns z.B.

  • Ganz „Da“, ganz im „Hier und Jetzt“, ganz „im Augenblick“ sein – mit all unsern Sinnen.
  • Uns selbst auf eine nicht bewertende Weise wahrnehmen und „Ja“ zu uns sagen: „Ja, das bin ich – jetzt in diesem Moment“. „Ja, das gehört – auch – zu mir“. Etwas davon mitteilen, damit wir den anderen ein greifbares und spürbares Gegenüber sind.
  • Den anderen unsere Aufmerksamkeit schenken – Aufmerksamkeit,  die nicht einordnet, bewertet und interpretiert  sondern Aufmerksamkeit, die erfährt, erlebt, voller Neugierde und offen ist für alles Wunderbare im Anderen. „Ja, das bist Du“.
  • Den anderen einladen, sich auszudrücken (dann, wenn sie reden wollen) und wirklich zuhören.
  • Wahrnehmen, was wir selbst und was die anderen in diesem Augenblick wirklich brauchen und dafür Sorge tragen.
  • Uns auf die Zeit der Kinder und auf unsere Eigen-Zeit einzustellen. Das aber heißt: Geduld lernen oder auch Langsamkeit. Es heißt, uns der Schnelllebigkeit der Welt entgegenzustellen.
  • Achtsamkeit bedeutet explizit nicht: immerwährende Harmonie! Wir begrüßen ausdrücklich den Ausdruck des gesamten Gefühlsspektrums. Zu einem lebendigen Miteinander und zu echten Beziehungen gehört auch, dass wir mal ärgerlich sind, mal enttäuscht voneinander, mal genervt …. Zu einem lebendigen Miteinander gehört, dass wir auch mal schuldig aneinander werden, dem anderen mit seinen Bedürfnissen und Verletzlichkeiten nicht gerecht werden. Kurz: Zu einem lebendigen Miteinander gehören Konflikte – das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Interessen, Bedürfnislagen, Geschichten …. . Wichtig ist uns, dass wir immer wieder Wege zueinander suchen und finden.  Im Kontakt mit den Kindern liegt die Verantwortung hierfür bei den Erwachsenen.
  • Achtsamkeit erfordert eine innere Verpflichtung dazu, tägliche Übung, Energie und Konzentration auf das Wesentliche.

Im Dienste dieser Konzentration auf das Wesentliche und im Dienste der Nachhaltigkeit entscheiden wir uns für eine achtsame Lebensführung:

Wir essen sehr wenig Fleisch und wenn, dann ausgewählt, aus artgerechter Haltung. Somit sind wir Flexitarier mit Tendenz zum Vegetarier. Vegane Ernährung schauen wir uns an experimentieren damit. Wir kaufen so wenig verarbeitete Produkte wie möglich und wenn, dann bewusst und im Bewusstsein „das ist Luxus“ (Fleisch, Wurst, Käse …). Ein wöchentlicher Speiseplan erleichtert zum einen ein bewusstes Einkaufen. Zum anderen ermöglicht das allen KaSuNoMa_s Mitbestimmung: jeder darf sich ein Gericht in der Woche wünschen. Zudem dient der Speiseplan, der beim Essensplatz hängt als Orientierung. Wir gehen gerne essen, aber wenn, dann geplant und gezielt. Ansonsten nehmen wir, wenn wir unterwegs sind, Getränke und Essen mit. Essensituationen dienen in unserer Familie der gesunden Nahrungsaufnahme (wir betrachten unseren Körper als Tempel der Seele) und der Gemeinschaftspflege und werden in diesem Sinne gepflegt und gestaltet.

Bezüglich Konsum ist uns bewusst: Geld, was wir ausgeben, müssen wir wieder erarbeiten. Und: Um Gegenstände, die wir erwerben, müssen wir uns kümmern. Ergo: Konsum kostet Zeit! Diesbezüglich entscheiden wir uns für ein Leben nach dem Motto: Wir sind reich an Zeit! Zeit füreinander, miteinander, Zeit für uns selbst. Konkret bedeutet das: wir kaufen bewusst und wenig und meistens gebrauchte Dinge. Auf das, was wir haben, passen wir auf und pflegen es. Was wir nicht mehr benötigen, geben wir weiter.

Beim Einkaufen leiten uns folgende Kriterien:

  • Wir bevorzugen saisonale und regionale Produkte.
  • Wir kaufen beim eher bei inhaber(innen)geführten Unternehmen
  • Wir berücksichtigen die Philosophie des Unternehmens z.B. bezüglich Umgang mit Mitarbeiter/innen und der Produktion

Bezüglich Mobilität haben wir folgende Entscheidungen getroffen: Alle Strecken unter 5 Kilometer legen wir mit dem Fahrrad (wenn 5 km auf der Ebene) oder mit ÖPNV zurück. Es ist unser Ziel, als Familie nur ein Auto zu besitzen (ein Auto ist unser Maximum, kein Auto unser Optimum). Das Flugzeug nutzen wir nur, wenn das Ergebnis für uns im Verhältnis zu den ökologischen Kosten steht – also nur für längere Urlaube, in denen wir wirklich ein Stück entfernter Welt erkunden und kennenlernen.

Insgesamt ist uns wichtig, unseren ökologischen Fußabdruck klein zu halten. Wir achten auf den Schutz der Erde, auf die Bedürfnisse all ihrer Bewohner incl. Tiere und auf unsere Gesundheit.

Für unseren Austausch und Absprachen wählen wir die Form des wöchentlicheN Familienpalaver. Uns ist dabei wichtig, dass alle sich ausdrücken können, ihre Meinungen kundtun und ihren Standpunkt einbringen.

Das Palaver findet meistens Samstagvormittag beim Frühstück statt. Dafür nutzen wir unsere selbsgestaltete KaSuNoMa__ PALAVERTISCHDECKE. Das Palaver hat in etwa folgenden Ablauf:

  1. Einstimmung: Wir lesen einen Spruch, ein Zitat, ein Gedicht, einen Reim vor, der von den Erwachsenen abwechselnd eingebracht wird – wenn die Kinder einen haben können sie diesen natürlich auch gerne einbringen. Der Spruch begleitet uns durch die Woche und findet seinen Platz über dem Wochenplan. Der Spruch der vorherigen Woche kommt ins Treppenhaus. Jede/jeder äußert sich kurz zu dem Spruch.
  2. Alle erzählen was in der Woche los war, was sie erlebt haben wie es ihnen ging und berichten darüber wie es ihnen in der Familie geht.
  3. Wir machen gemeinsam die Planung für das Wochenende und die folgende Woche. Stimmen uns ab was getan werden muss und was wir machen wollen.
  4. Der Essensplan für die nächste Woche wird gemacht. Jede /Jeder darf sich ein Gericht aussuchen.
  5. Alle können Themen einbringen, über die sie gerne mit den anderen reden wollen. Das machen wir entweder gleich oder planen wann das passieren soll.
  6. Abschluss: Wir würdigen unsere Familie und bedanken uns gegenseitig für das was jede/jeder beim Familienpalaver eingebracht hat. Dann räumen alle noch zusammen auf.
Wochenplan 30.06.-06.07.2014

Wochenplan 30.06.-06.07.2014

Speiseplan 30.06.-06.07.2014

Speiseplan 30.06.-06.07.2014

Wochenspruch

Wochenspruch

Jetzt das Palavern beginnen

Jetzt das Palavern beginnen

Unsere Palavertischdecke

Unsere Palavertischdecke

Mariella bemalt ihre Ecke der Tischdecke

Mariella bemalt ihre Ecke der Tischdecke

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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____________________Karen Reitz-Koncebovski: Edelsteine ans Licht bringen. Beitrag zur Pädagogik. Zur Begründung eines Schulprojekts. 2006 Hofheim: Bahái-Verlag GmbH.[1] Vgl. Reitz-Koncebovski S. 64

[2] Vgl. Reitz-Koncebovski z.B. S. 55

[3] Vgl. Reitz-Koncebovski z.B. S. 108

[4] Vgl. Reitz-Koncebovski S. 225/226

[5] Vgl. Reitz-Koncebovski S. 226

[6] Baha’u’llah, Verborgene Worte, zitiert nach Reitz-Koncebovski

[7]Vgl. Reitz-Koncebovski S. 228

[8] Vgl. Reitz-Koncebovski S. 71

[9] Vgl. Reitz-Koncebovski z.B. S. 225

[10] Vgl. Reitz-Koncebovski S. 26

[11] Vgl. Reitz-Koncebovski S. 66, S. 225

[12] Vgl. Reitz-Koncebovski S. 68/69