Heute morgen war ich mit unserer Jüngsten in ihrer Kita. Eine ihrer Herzenserzieherinnen hatte Telefondienst vor Ort und wir durften sie besuchen. Die Erzieherin führte unsere Tochter durch die (kinder)leeren und aufgeräumten Gruppenräume – wohl auch um ihr begreifbar zu machen, dass außer uns niemand da ist. Wir hatten ein paar Fotos mitgebracht, damit unsere Jüngste mit ihrer Herzenserzieherin teilen konnte, was sie seit der Kitaschließung so erlebt hat. Die Fotos ließen wir da. Auch die anderen Herzenserzieherinnen sollen sie noch gucken können – so der Wunsch des Kitakindes. Dann fragte die Erzieherin unsere Jüngste, ob sie gerne noch was machen möchte in der Kita – und oh ja, das wollte sie. Gemeinsam mit ihrer Erzieherin gestaltete sie mit Farben, Glitzer und Co noch ein Bild. War sie bis jetzt eher schüchtern und schweigsam gewesen (vier Wochen war sie nicht mehr hier), taute sie nun auf. Ich saß ein bisschen abseits und beim Zusehen ging mir das Herz auf. Es war ein so herzlicher und inniger Kontakt zwischen der Erzieherin und unserem Kind … unsere Tochter strahlte und leuchtete von innen heraus … und zwischen den beiden leuchtete die von Vertrauen-und-miteinander-Vertrautsein getragene Bindungsbeziehung. Ich bin der Kitaleiterin und natürlich der Erzieherin sehr dankbar, dass sie unserem Kind diese Erfahrung ermöglicht haben.

Als vor zwei Tagen bekannt wurde, dass die Kitas erst mal weiter auf unbestimmte Zeit geschlossen bleiben, lag ich abends im Bett und war sehr in Sorge. Kitas sind Betreuungseinrichtungen. Zum Glück haben wir eine gute Situation diesbezüglich. Sprich: Wir haben genug Zeit, Platz, Spielkameraden – und der Göttin sei dank schönes Wetter! Kitas sind Bildungseinrichtungen. Wir können unserer Tochter nicht die Anregung bieten, die sie in ihrer Kita bekommt … aber wir können an anregungsreicher Umgebung und gemeinsamen Unternehmungen doch viel ermöglichen … und die Bildung kitaseits kann pausieren. Aber Kitas sind doch auch – und vielleicht sogar in erster Linie – Orte, an denen Beziehung stattfindet. Eine elternbegleitete Eingewöhnung gehört heute zum Glück in allen Einrichtungen zum Qualitätsstandard. Ziel ist, dass das Kind eine vertrauensvolle Beziehung zu mindestens einer Erzieherin entwickelt. Doch was passiert mit dieser von Zuneigung und Nähe geprägten Beziehung in Zeiten von Corona?

Die Betreuung durch die Kitas kann man je nach Zahl der Infektionen an- und ausschalten. So ist zumindest der Plan. Die Maßnahmen werden gelockert und die Infektionszahlen beobachtet. Steigen sie, werden Einrichtungen und Geschäfte wieder geschlossen. An und wieder aus – so lange bis die Infektionszahlen nicht mehr zu stark ansteigen oder bis ein Impfstoff da ist. Aber was passiert mit den Beziehungen? Die kann man nicht an- und ausschalten. Die wollen gepflegt werden, sonst wird ihre emotionale Verbindung schwächer. Das kennen wir alle aus unseren vielfältigen Beziehungen. Vor allem Kinder sind darauf angewiesen, ihre Lieblingsbindungsmenschen regelmäßig real zu sehen – je jünger, desto mehr. Sonst droht die gemeinsame Beziehungsgeschichte in ihnen zu verblassen. Dann wäre der Widereinstieg in den Kitaalltag nach monatelanger Pause für ein Kind mit hohem Stress verbunden bzw. eine neue elternbegleitete Eingewöhnung erforderlich.

Dazu kommt, dass gerade so vieles in der Schwebe ist und der Alltag seine Normalität verloren hat. Alles, was jetzt bleibt wie immer … und dazu gehören auch vertraute Kontakte (wenn auch in anderer Form) hilft und gibt den Kindern Sicherheit. Kitateams können Kinder und Eltern also auch in dieser Zeit entlasten – dadurch, dass sie die Beziehung pflegen.

Ich weiß nicht wie die Situation der Kitateams vor Ort ist – mit der besonderen Situation, der für Eltern oft nicht sichtbaren Hintergrundarbeit und den Notgruppen. Viele Erzieher/innen haben ja gerade auch selbst zu Hause Kinder zu betreuen. Ich möchte einfach dazu einladen, Ressourcen prioritär für die Beziehungspflege zu nutzen. Viele Einrichtungen verschicken Bastelvorlagen, Liedtexte und Geschichten. Die Kinder freuen sich, Post von der Kita zu erhalten. Die Maßnahme ist eine liebe Geste … gehört aber nicht unbedingt zum Superfood für das Nähren von Bindungsbeziehungen. Das ist für die meisten Kinder doch der direkte Kontakt. Und für den gibt es zum Glück dank moderner Technik eine Vielfalt von Möglichkeiten – vom guten alten Anruf bis zum kurzen Videomeeting, in dem alle Kinder morgens begrüßt werden, vielleicht noch gemeinsamen ein Lied singen … bevor jeder in seinen individuellen Tag startet. Das würde auch die so wichtige Beziehung zu den Spielkameraden stärken. Hervorragende Möglichkeiten zur individuellen Beziehungspflege bieten auch datensichere Messenger-Apps, die es kostenfrei gibt und die jede/r einfach runterladen kann. Über diese können Erzieher/innen einem Kind eine Sprachnachricht und/oder einen kleinen Videogruß schicken. Auch Dinge können zum Träger einer emotionalen Verbindung zur Kita für ein Kind werden. Vielleicht möchten sich ja die Kinder aus der Kita ein Spielzeug oder ein Lieblingsbuch ausleihen, vielleicht Pate für ein Kuscheltier werden bis die Kita wieder öffnet. Und wenn man hingeht um das abzuholen, hat man gleich schon ein bisschen persönlichen Kontakt… .

Ich möchte auch die Eltern einladen, bei ihrer Kita gerne nachzufragen, was gerade möglich ist. Die Eltern kennen ihr Kind am besten und können am besten einschätzen ob, wie häufig und in welcher Form ein Kind Kontakt zur Kita braucht, um emotional die Verbindung halten zu können. Die allermeisten Kitateams sind hochengagiert für das Wohl unserer Kinder und finden sicher mit euch einen Weg.

Wenn alle Beteiligten ihre Kreativität und ihr Potenzial nutzen wird es möglich sein, die persönliche Erzieher/innen-Kind-Beziehung auch in Zeiten von Corona weiter zu pflegen.

Gemeinsam schaffen wir es!