“If you change nothing, nothing will change”

Nein, keine Angst, als Freilerner sind wir nicht gescheitert ? … es war nur an der Zeit, etwas zu verändern. Aber von vorne … . Als unser jetzt 10jähriger Sohn in der 1. Klasse der Waldorfschule Trier immer unglücklicher wurde (und wir leider auch erst zu spät mitbekamen, wie sehr er litt und wie wenig die LehrerInnen sich um die Kinder gekümmert haben), nahmen wir ihn von der Schule. Wir beschlossen, das Abenteuer Freilernen zu wagen. Bald wollte unsere mittlere Tochter auch nicht mehr in den Kindergarten. Wir waren also nun eine Freilerner-Familie. Mehr dazu im Artikel “Wie wir zur Freilerner-Familie wurden”.
Wir sind viel gereist. Ein halbes Jahr haben wir auf La Gomera gelebt, 3 Monate in Südspanien und 2 Monate auf Bali. Dazwischen waren wir immer wieder für längere Zeit in Trier, um unsere Homebase-Kontakte zu pflegen. Unser schulfreies Leben haben wir sehr genossen – sowohl auf Reisen als auch Zuhause. Schulfrei bedeutete, unseren eigenen Rhythmus leben zu können. Nach dem halben Jahr Schulerfahrung war es für mich ein großes Geschenk, wieder ins Bett gehen zu können wann wir wollen, weil morgens kein Wecker klingelte, keine Verpflichtung wartete. Schulfrei bedeutete, reisen zu können und viel gemeinsam zu erleben. Schulfrei bedeutete, dass die Kinder in ihrem Tempo und geleitet von ihren Interessen lernen konnten.
Drei Jahre lang war das wundervoll, gut und stimmig. Wie das nun mal so ist, wurden die Kinder in dieser Zeit älter und sowohl ihre als auch meine Bedürfnisse änderten sich.
Es änderte sich aber auch mein Blick auf das Freilernen. Meine anfängliche Begeisterung wurde von einem differenzierteren Blick abgelöst. Ich durfte wundervolle Freilerner-Familien kennen lernen und für viele davon fühlt sich dieser Weg auch mit älteren Kindern gut und richtig an. Die Kinder eignen sich auch ohne Schulbesuch ein breit gefächertes Wissen an und vertiefen aus eigenem Engagement heraus ihre Interessen. Wunderbar!
Mit dem Älter werden unserer Kinder wurde deutlich, dass sie mehr Begleitung und Anregung beim Lernen benötigen, wie ich ihnen – im Alltag viel alleine mit drei Kindern – bieten konnte. Auf der Suche nach Wegen stieß ich auf die WebIndividualschule in Bochum. Sie bietet internetbasierten individuellen Unterricht an. Konkret heißt das: unser Sohn skyped jeden morgen eine halbe Stunde mit seinem Lehrer und bearbeitet anschließend eigenständig Arbeitsblätter. Unser Sohn mag seinen Lehrer und liebt diese Form des Unterrichts. Schulerfolg und Schulabschlüsse sind mir nach wie vor nicht wichtig. Aber wichtig ist mir, dass die Kinder ihrem Potenzial entsprechend eine solide Basis erwerben, auf der sie später ihren weiteren Bildungsweg selbst gestalten können. Das erlebe ich einfach auch als meine Verantwortung. Unsere mittlere Tochter wird im Frühling 8 Jahre alt und wird  eine Montessori Schule in Trier besuchen. Diese Schule befindet sich gerade in Gründung und wird im kommenden Schuljahr mit der 1. Klasse starten. Unsere Tochter freut sich riesig darauf ein Schulkind zu werden. Sie ist sozial stark und blüht in Gemeinschaften sehr auf. Unsere Jüngste besucht mit ihren 4 Jahren seit 4 Wochen 4 Stunden täglich die Kita in unserer Strasse. Sie geht super gerne und ist begeistert von all dem Neuen, das es da zu entdecken gibt. Dadurch dass ich zuhause bin, konnten wir eine supersanfte Eingewöhnung gestalten und die tägliche Zeit, die sie in der Kita verbringt ganz langsam steigern. Jetzt schafft sie 4 Stunden. Ermüdet sie früher, ruft die Erzieherin mich an und ich hole sie ab.
Jedes Kind ist anders –  hat andere Bedürfnisse, nach vorstrukturierten Angeboten, nach selbst geleitetem Entdecken, nach Anleitung, nach in Gemeinschaft sein, nach Zuhause sein, nach Neuem, nach Vertrautem… Frei Lernen bedeutet, das im Blick zu haben und die entsprechenden Angebote zu entwickeln oder zu finden.

“Freiheit heißt auch, sich seine Abhängigkeit selbst wählen zu dürfen.”
Ernst Ferstl

 

 

 

Soziale Gemeinschaften: Die Zugehörigkeit zu ausserfamiliären Gemeinschaften und ausreichend Kontakt zu gleichaltrigen Kindern – das wurde mit zunehmendem Alter der Kinder eine weitere Herausforderung unseres Freilerner Daseins. Unsere 3 Kinder sind zwischen 4 und fast 11 Jahre alt. Da ist es nicht so leicht, altersentsprechende Kinder in ausreichendem Mass im Umfeld zu “organisieren”.
Wir treffen uns sehr viel mit anderen, dem freien Lernen nahe stehenden Familien. Doch deren Kinder sind i.d.R. noch nicht schulpflichtig, meist zwischen 0 und 5. Unser Sohn hat immer wieder geäußert, dass er sich mehr Kontakt zu Gleichaltrigen wünscht. Unsere 7jährige Tochter spielt auch sehr freudvoll mit jüngeren Kindern. Doch wir beobachten, dass sie mit Gleichaltrigen “anders” spielt, eine andere Rolle einnimmt. Seit ein paar Monaten hat sie eine “allerbeste” gleichaltrige Freundin und ist so glücklich darüber. Wenn sie mit “Lilli” zusammen ist, leuchtet unsere Tochter von innen heraus. Sie macht mit Lilli ganz andere Dinge als mit ihren jüngeren Freunden – wobei auch die jüngeren Spielkamerad/innen für unsere Tochter und für uns ganz wertvoll sind. Aber es ist einfach anders, wenn “beste Freundinnen” sich treffen … .
Also galt es auch bezüglich Integration in eine Gemeinschaft mit ähnlich alten Kindern nach Lösungen zu suchen. Bei unserer mittleren Tochter wird dies mit dem bevorstehenden Schulbesuch abgedeckt sein, bei der Kleinen durch den Besuch des Kindergartens. Unser Sohn besucht seit 4 Wochen einen Hort ganz in unserer Nähe und ist sehr glücklich dort. Er hat neue Freunde gefunden und liebt es, die Nachmittage mit ihnen zu verbringen.
Soviel zum Wandel der Bedürfnisse der Kinder.
Jetzt zu meinen ?
Seit neuneinhalb Jahren bin ich sehr reduziert berufstätig. In der Regel bin ich bei den Kindern – rund um die Uhr – 24h am Tag (ja, wir schlafen auch in einem gemeinsamen Familienbett …). Ich habe es unglaublich genossen, so viel Zeit mit unseren Kindern verbringen zu dürfen! Ich habe es immer als Luxus erlebt! Ich bin froh, dass wir das so entschieden haben. Wir würden es immer wieder genau so machen.
Aber in letzter Zeit wuchs mein Bedürfnis nach Freiräumen, um meinen Interessen jenseits der Kinder nachzugehen. Ich bin beruflich wieder mehr tätig – online und offline – und merke, wie viel Freude mir das macht, wie viel Energie und Kraft mir das gibt. Ich liebe meinen Beruf. Als Psychologin tätig zu sein bedeutet für mich, einen wichtigen Teil von mir zu leben. In mir sprudeln die Ideen und ich freue mich darauf, bald noch mehr Freiraum dafür zu haben.
Die Kinder beobachten verblüfft, dass ich regelmäßig vor dem Laptop “abtauche”. Immer häufiger sind das ganz harmonische Zeiten, wo sich die Kinder in ihre eigenen Dinge vertiefen. Wir “arbeiten” dann alle, denn das Spiel ist ja die Arbeit des Kindes … jeder für sich und doch zusammen. Wenn ich zufrieden wieder “auftauche”, dann bin ich wirklich “da”.
Ende gut, alles gut … ? … nein, so ist ja das Leben nicht … ein bischen unperfekt und holprig geht es weiter … .
Erst mal geht es auf nach Thailand. Dort werden wir ab Anfang März zwei Monate verbringen, um die Zeit, bevor wir ein reguläres Schulkind haben, nochmal so richtig zu nutzen. Du wirst bestimmt auch “Post” von mir aus Koh Phangan erhalten… .

Liebe Grüße, Susanne