Unsere Kinder gehen in einen katholischen Kindergarten. Er ist der einzige in unserem Wohngebiet. Es ist uns sehr wichtig, dass unsere Kinder in ihrem nahen Umfeld Freunde gewinnen können, die sie später auch Mal alleine besuchen können. Dass der Kindergarten in katholischer Trägerschaft ist, bedeutet für uns ein Kompromiss, den wir eingegangen sind.
Was aber an Indoktrination ab dem dritten Lebensjahr dort passiert, ist – gelinde gesagt – eine Frechheit. Ein großer Teil der Elternschaft ist nicht- oder andersgläubig. Von allen Zielen der Einrichtung ist die religiöse Erziehung den Eltern laut einer Befragung am unwichtigsten.
Wir hatten uns naiverweise vorgestellt, dass im Kindergarten Werte wie Nächstenliebe, Respekt und Menschlichkeit vorgelebt würden. So ist es leider nicht.
Vor zwei Jahren kam unser Sohn, damals vier Jahre alt, nach Hause und es entstand folgender Dialog:
Unser Sohn: “Gell, Findus (unsere Katze) darf man nicht ans Kreuz nageln.”
Wir erschrocken: “Nein!”
Unser Sohn: “Nur Jesus?”
Wir etwas überfordert: “Hm.”
Unser Sohn sehr kompetent und die Situation rettend: “Gell, solche Geschichten darf man sich nicht ausdenken… nur schöne.”
Wir erleichtert: “Ja!”
Das Kreuzigen war früher eine Hinrichtungs- und Foltermethode. Es sind schlimme Vorstellungen, heftige Bilder, die damit in die Köpfe von Kindern gepflanzt werden. Bilder können Kinder überfordern. Es ist für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit, dass wir Kindern keine Horrorgeschichten vorlesen und dass wir sie auch vor Bildern schützen, die Mord, Totschlag, Krieg und Folter zeigen, geschweige denn verherrlichen oder banalisieren.
Es gibt gute Gründe, warum wir unsere Kinder nicht mit Folter und Hinrichtungen konfrontieren, obwohl es in unserem Bekanntenkreis Menschen gibt, die Folter erleben mussten. Wir lesen ihnen auch keine Bücher über diese Themen vor. Dass unser Sohn nun genau in einem katholischen Kindergarten damit konfrontiert wird, ist erschreckend genug. Noch schlimmer aber ist die Botschaft, dass dies angeblich in Ordnung ist.
Bei einem Gespräch im Kindergarten wurde uns folgendes erklärt: Da unser Sohn nicht jeden Tag ganztägig den Kindergarten besucht und somit nicht an allen religiösen Aktivitäten teilnimmt, hätte er die frohe Botschaft der Auferstehung leider nicht mitbekommen. Somit wird uns die Verantwortung in die Schuhe geschoben, dass der Kindergarten Folter und Tötung zum Thema macht.
Dieses Jahr fanden wir ein Bild, welches sehr explizit den ans Kreuz genagelten Jesus zeigt. Hammer und Nagel sind gut sichtbar, auch wenn das Bild stilistisch verniedlicht wurde. Unter dem Bild steht der Text: “Wenn wir ohne Nachzudenken mitmachen, wenn andere jemandem wehtun, dann sind wir wie die Soldaten, die Jesus ans Kreuz nageln, weil es ihnen befohlen wurde.” Wenn also ein Kind im Alter zwischen drei und sieben Jahren dabei mitmacht, einem anderen Kind wehzutun, dann ist das gleichzusetzen mit Tötung auf Befehl. Hallo? Zwischen einem Kinderstreit, auch mit Hänseln, Stoßen und Schlagen und einem Henker besteht wohl noch ein gigantischer Unterschied!
Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass verletzendes Mitmachen und Hänseln nicht in Ordnung sind. Dass Foltern und Töten aber nun wirklich nicht in die gleiche Kategorie gehören, müsste jedoch ebenso selbstverständlich sein. Was soll hier eigentlich vermittelt werden? Sicher nicht nur das Leben und Leiden eines Mannes vor über 2000 Jahren. Denn das hat rein gar nichts mit den Kindern von heute zu tun. Bei uns ist die Todesstrafe abgeschafft und Folter nicht erlaubt. Den Menschen, die dafür gekämpft haben, sei Dank.
PS: Der hpd (Humanistische Pressedienst hat unseren Beitrag veröffentlicht). Dort ist es ein viel gelesener Beitrag und es hat sich auch eine Diskussion in den Kommentaren entwickelt. Das freut uns sehr.Du möchtest meinen Newsletter abonnieren? Dann klicke einfach auf ANMELDUNG. Ein kunterbuntes Kaleidoskop zu den Themen Familie, Kinder, Bindung, Bildung, Reisen, Freilernen, Glück, Zufriedenheit, Psychotherapie und natürlich Neues von KaSu-Institut erwartet Dich. Lass Dich überraschen und inspirieren!
Liebe Lesende,
ich erinnere mich, wie ich als katholisch sozialisiertes Kind traurig über die Ungerechtigkeit war, welche Jesus, einem Sympathieträger wie ich fand, wiederfuhr. Für mich war es nicht schlüssig, dass sein Vater das zulässt was da geschieht und dass er von den Toten auferstand war für mich weder ein Trost noch nachvollziehbar, ja ich war irritiert. Wäre ich jetzt Kind würde ich denken Jesus kam als Zombie wieder. Und Zombies sind weder liebevoll noch menschlich.
Worum geht es denn? Es geht doch darum, dass unsere Kinder Werte wie Menschlichkeit, Liebe, Vertrauen, Respekt, Mitgefühl, Akzeptanz und mit anderen Menschen in Beziehung gehen können, lernen und verinnerlichen. Da brauchen wir nicht unbedingt die Strategien mancher Religion dazu, um das zu vermitteln.
Was soll denn bei einem Kind ankommen, wenn es hört, dass der Vater seinen Sohn verspotten, misshandeln, foltern und schließlich zu Tode quälen lässt. Wenn wir hinter diese Geschichte schauen käme sicher keiner auf die Idee, dass es ein Akt der Liebe ist, was der Vater hier seinem Sohn antut. Wenn wir uns vorstellen, wir würden eine Misshandlungsgeschichte in den Nachrichten hören, was würden wir denken –oh, der Vater muss sein Kind aber lieben??? Sicher nicht. Das hat mit Liebe nichts zu tun, sondern mit Ungerechtigkeit, Gewalt und Grausamkeit. Wollen wir, dass das unsere Kinder lernen?
Es hilft enorm, hinter die Geschichten zu schauen, sie nicht einfach gedankenlos weiter zu geben. Die Botschaft des christlichen Osterfestes, muss auf Kinder ähnlich wirken wie auf mich als Kind. Sie verstört unsere Kinder, gibt ihnen ein Vaterbild mit auf den Lebensweg was einer gesunden Entwicklung nicht dienlich sein kann. Ein Vater der seinen Sohn verlässt und ihn in seinen Grundwerten erschüttert.
In dem Mandela-Trailer heißt es: „kein Mensch hasst einen andern Menschen von Geburt an, der Hass ist anerzogen. Genauso können wir die Liebe lernen, weil sie entspricht viel eher dem natürlichen Wesen unseres menschlichen Herzens.“
Also pflanzen wir die Liebe in die Herzen unserer Kinder mit Gedanken, Worten und Taten die der Liebe entspringen. Und dazu können wir gerne Geschichten benutzen, nur halt welche wo es wirklich um die Liebe geht.
Liebe B.,
Danke für den ausführlichen Kommentar. Da weiss ich ja nicht ob ich froh sein soll, dass unser Sohn die Auferstehung verpasst hat :-). Aber dieses schreckliche Bild, das da von einem vermeintlich liebenden Vater vermittelt wird, hatte ich so noch nicht bedacht. Danke für die Sichtweise.
Liebe Karin, liebe Susanne,
wahrscheinlich könnten wir uns auch in unserem Kindergarten treffen – aber das Leben in der virtuellen Welt geht ja bekanntlich andere Wege und verfolgt andere Ziele. Daher antworte ich in Eurem Blog was mich zu dem Thema bewegt:
Ihr habt Euch für einen erklärt katholischen Kindergarten entschieden. Damit ist meines Erachtens eigentlich klar, dass neben der Weihnachtsgeschichte auch die Ostergeschichte ausführlich besprochen wird. Das wissend, kann es doch eigentlich nur noch eine Frage dessen sein, WIE die Geschichte im Kindergarten erzählt wird – wenngleich die Ostergeschichte selbstverständlich nicht für jeden die Frohe Botschaft enthält 😉 . Diesbezüglich bin ich mir sicher, dass sie selbstverständlich in einer katholischen – aber auch in einer menschenfreundlichen Weise berichtet wurde. Denn ich habe unseren Kindergarten bislang als sehr tolerant und integrierend erlebt.
Wenngleich ich also verstehe, worum es Euch eigentlich geht: ich finde Eure Haltung etwas an der Sache vorbei (katholischer Kindergarten ist katholischer Kindergarten). Aber was mir noch wichtiger ist: Ihr bringt mit Eurer Geschichte die wirklich engagierte und liebevolle Kindergartenarbeit (die ja wirklich leider keine Selbstverständlichkeit ist) in Misskredit. Schade, denn ich finde, eigentlich braucht es viel mehr solcher KiTaS, die mit Kopf, Herz und Hand bei der Sache sind.
Liebe Katja Wolf,
herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Es freut uns sehr, wenn zu unserem Artikel eine lebendige und kontroverse Diskussion entsteht.
Du schreibst: „Ihr habt euch für einen erklärt katholischen Kindergartenentschieden“. Die große Mehrheit aller Kitas in Trier sind in katholischer Trägerschaft. Von einer freien Entscheidung kann also keine Rede sein. Die Integration unserer Kinder in unserem Wohnviertel und ihre Autonomie haben uns jedoch bewogen, uns für diese Kita zu entscheiden. Sie liegt in unserer
Straße, sodass unser Sohn den Weg seit seinem 4. Lebensjahr alleine gehen kann. Wenn er und seine jüngere Schwester hinter unserem Haus auf die Spielstraße und den dort ansässigen Spielplatz gehen, treffen sie dort viele Kinder aus ihrer Kita.
Natürlich würden wir unsere Kinder – trotz benachbarter Lage und den damit verbundenen Vorteilen – nicht einer Institution anvertrauen, deren pädagogische Qualität grundsätzliche Mängel aufweist. Wir schätzen die Atmosphäre, das pädagogische Konzept und v.a. das Engagement von Leitung und Team sehr. Dies
haben wir in anderen Artikeln auch klar zum Ausdruck gebracht. Unsere Wertschätzung äußert sich aber auch darin, dass wir den pädagogischen Fachkräften Kritikfähigkeit zutrauen.
Zur erklärt pädagogischen Prägung der Kita: Zum allergrößten Teil werden Kitas in katholischer Trägerschaft aus öffentlichen Steuergeldern finanziert. Wenn alle – also auch Anders-Gläubige und Atheisten wie wir – eine Kita finanzieren, dann sollte diese auch der weltanschaulichen Pluralität gerecht werden.
Es freut uns, dass Du die Kita als tolerant und integrierend erlebst. Wir sind eine humanistisch geprägte Regenbogenfamilie. Wir wollen nicht bloß toleriert, sondern akzeptiert werden. Mit der Toleranz verhält es sich nämlich nicht so einfach. Meist wird sie so gelebt, dass Menschen mit anderem kulturellen und weltanschaulichen Hintergrund bloß zugelassen und geduldet werden. Wir wollen
dagegen in unserer Lebensweise, unserem Empfinden und unseren Vorstellungen ernsthaft anerkannt und respektiert werden. Statt Integration wünschen wir uns Inklusion. Denn unsere Lebens- und
Denkweise sollte nicht als Besonderheit oder Abweichung integriert, sondern gleichberechtigt neben anderen behandelt werden. Genau diesen weltoffenen Zustand wünschen wir uns als Normalität.
Christliche Religion und Glaube sind fester Bestandteil im Alltag der Kinder, die eine Kita in katholischer Trägerschaft besuchen. Mitarbeiter/innen dieser Einrichtungen dürfen das nicht kritisieren. Sie würden eventuell ihren Job verlieren. Wir nutzen daher die Meinungsfreiheit, die wir in unserem Land genießen (und die mutige Menschen u.a. gegen den Willen die Kirche erkämpfthaben) und schreiben womöglich auch im Sinne aller Erzieher/innen, die
vielleicht diese religiösen Inhalte nicht vermitteln wollen, aber dazu gezwungen sind.
Wir sind überzeugt, dass Kinder selbst und frei entscheiden sollten, an welche Religion sie glauben oder eben auch nicht glauben. Diesem freiheitlichen Ansatz steht die religiöse Indoktrination jedoch entgegen, in dem sie einzelne Weltanschauungen den Kleinsten privilegiert vermittelt. Dies ist höchst problematisch. Denn eine (wir erinnern: staatlich finanzierte!) Kita sollte einen seriösen Bildungsauftrag verfolgen – keinen Verkündigungsauftrag.
Es gibt noch viele weitere Aspekte, die in dieser facettenreichen und komplexen Diskussion eine Rolle spielen. So auch die Frage ob die Darstellung einer Kreuzigung – inklusive moralischer Bezugnahme auf das Verhalten von Kindern –in eine Kita gehört. Wie würden wohl christliche Eltern reagieren, wenn in einem staatlichen Kindergarten eine Darstellung der Hinrichtung von Giordano Bruno auf dem Scheiterhaufen hängen würde? Sie würden sich zurecht empören! Selbst wenn die Darstellung mit einer lobenswerten Wertevermittlung („Habe den Mut, kritisch nachzudenken und deine Meinung auch gegen Widerstand zu äußern!“) verbunden wäre, würden wir sie keineswegs als kindgerecht einstufen. Wie soll dies auch möglich sein?
Es ist nicht nur das Wohl unserer Kinder, das uns am Herzen liegt. Deswegen scheuen wir uns auch nicht vor der öffentlichen Diskussion dieser sensiblen Angelegenheit. Denn durch das Schweigen wurde noch nie etwas zum Positiven geändert.
Liebe Frau Wolf,
Mich würde das WIE auch sehr interessieren. Und ehrlich gesagt vor allem wie Sie Folter und Hinrichtung menschenfreundlich darstellen wollen. Das von Susanne und Karin gezeigte Bild ist zwar verklärt aber nicht menschenfreundlich.
MfG A.